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Familienzeit im Vordergrund

Shari und André Dietz: „Es war ein langer Weg bis zur Diagnose.“ Fotos: Jan-Niklas Berg

Im Interview sprechen der Serienstar André Dietz und Ehefrau Shari über das Angelman-Syndrom ihrer Tochter Mari.

Wann haben Sie gemerkt, dass Mari sich nicht auf die selbe Art entwickelt, wie andere Kinder?

Shari: Im Nachhinein könnte ich jetzt viele Dinge aufzählen, von denen wir aktuell wissen, dass sie mit dem Syndrom zusammenhängen. Wir haben Videos, wie Mari sich schon in meinem Bauch extrem viel bewegt und wie sie innerhalb von Sekunden ihre Lage komplett ändert und nicht zur Ruhe findet.

Heute wissen wir, dass das mit ihrer extremen Hyperaktivität zu tun hat. Mari kam spontan und natürlich zur Welt und hat schon in der ersten Nacht kaum geschlafen. Ich war extrem verzweifelt und wusste nicht, wie ich sie zum Einschlafen bekommen soll. Heute wissen wir, dass das mit ihrem Melatonin-Mangel zu tun hat.

Ich habe Mari bis zum neunten Monat voll gestillt und hatte extreme Probleme mit Brustentzündungen. Ich musste immer ein Tuch zwischen Kind und Brust legen, weil die Hälfte der Milch daneben lief. Heute wissen wir, dass Mari keinen richtigen Mundschluss hat und sie dadurch die Brust nie richtig leer saugen konnte.

Ich könnte noch viel mehr solcher Dinge aufzählen, alles auch mit der Tatsache untermauert, dass ich noch zwei weitere Kinder bekommen habe, bei denen es komplett anders lief. Dass etwas anders ist, haben wir aber erst wirklich durch Maris extrem verzögerte Entwicklung realisiert.

Sie hat erst mit circa acht Monaten nach Dingen gegriffen, erst mit 24 Monaten gesessen und ist erst mit 26 Monaten gekrabbelt. Bis heute kann Mari nicht laufen (sie ist jetzt gute zweieinhalb Jahre alt). Das Lautieren blieb völlig aus und sie hat immer extrem geschielt.

Viele betroffene Familien gehen einen langen Weg, um die richtige Diagnose zu erhalten. Wann hatten Sie die Gewissheit, dass Mari am Angelman-Syndrom erkrankt ist?

André: Unser Weg war gefühlt auch sehr lang. Im Gegensatz zu vielen anderen Eltern bekamen wir die Diagnose allerdings sehr früh. Wir waren bei vielen verschiedenen Ärzten und haben uns immer wieder mit „jedes Kind braucht seine Zeit“ vertrösten lassen. Ehrlich gesagt waren auch wir bis zum letzten Moment fest von dieser Theorie überzeugt.

Tatsächlich ausgesprochen hat es dann ein Kinderarzt aus München, der eine halbjährliche Sprechstunde bei unserer damaligen Physiotherapeutin in Köln gemacht hat. Ohne es schwarz auf weiß zu wissen, waren wir sofort überzeugt, dass Mari dieses Syndrom hat. Die Beschreibungen, die wir im Internet dazu gefunden haben, passten eins zu eins zu unserer Tochter.

Mari hat ein typisches Angelman-Gesicht. Ihre blonden, dünnen, gelockten Haare. Der Zahnstand und die verkürzten Schneidezähne. Ihre unglaublich fröhliche Art und die ganz besondere Leidenschaft für Wasser. Mari ist ein Angelman-Kind wie es im Buche steht. Sie ist wunderbar. Gewissheit hatten wir dann letztendlich durch einen Gentest bei einem Humangenetiker kurz vor Maris zweitem Geburtstag.

Wir haben recht kurzfristig einen Termin in der Uniklinik Bonn bekommen und hatten dann sechs Wochen später das Ergebnis: Eine Deletion, ein sogennanter Stückverlust, eine Laune der Natur.

André Dietz und Familie

Inwiefern hat sich Ihr Alltag seit der Diagnose verändert?

Shari: Außer der Gewissheit, was Mari hat und der Ungewissheit, wie unser Leben nun aussehen wird, hat sich nichts verändert. Ich mache mit Mari Physiotherapie, Logopädie und uns besucht wöchentlich eine Heilpädagogin.

Wir haben jetzt noch mehr das Bedürfnis, Mari bestmöglich zu fördern. Durch die eindeutige Diagnose haben wir natürlich bessere Möglichkeiten, uns Unterstützung zu holen. Mari hat Pflegestufe 2 und einen Schwerbehindertenausweis – das erleichtert natürlich den manchmal etwas komplizierteren Alltag.

Wie wird Maris Leben mit der Krankheit verlaufen?

André: Im März dieses Jahres hat Mari – wie fast 80 Prozent der Angelman-Kinder – noch eine schwere Epilepsie entwickelt, die uns nochmal an unsere Grenzen brachte. Nach jetzt vier Monaten, verschiedenen Medikamenten und Dosierungen, haben wir die Epilepsie in den Griff bekommen. Trotzdem müssen wir weiterhin achtsam sein und langfristig mit Medikamenten arbeiten.

Ansonsten versuchen wir, ihr/unser Leben möglichst normal zu gestalten und sie nicht als „krank“ abzustempeln. Sie kommt diesen Sommer in den Kindergarten und wird dann irgendwann auch in die Schule gehen. Da Mari noch weitere Geschwister hat, wird sie automatisch immer integriert. Dazu gehört natürlich auch der Skiurlaub oder ein Besuch im Freizeitpark.

Mari hat eine ganz normale Lebenserwartung, ist (abgesehen von der Epilepsie) kerngesund. Im Alter kann sie sich garantiert auch auf Ihre vielen Geschwister verlassen. Im Kern kann ich aber über ihre Zukunft genauso wenig sagen, wie über die ihrer Geschwister.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Shari: Ich wünsche mir, dass Mari Laufen lernt und dass es ihr somit noch leichter fällt, mit ihren Geschwistern mitzuziehen, zu spielen und aktiv dabei zu sein. Dazu gehört auch, dass ich es toll finden würde, wenn die vom Land eingeführte Inklusion Wurzeln schlägt und Mari nächstes Jahr in den gleichen Kindergarten wie ihre Geschwister wechseln kann.

Für unsere gemeinsame Zeit wünsche ich mir, dass sich alles noch besser einspielt, wir ihre Epilepsie in den Griff bekommen und somit unsere gemeinsame Familienzeit wieder im Vordergrund stehen kann.

André: Ich bin mir sicher, dass Mari Laufen lernt und wünsche mir, dass Ihre Entwicklung weiterhin so positiv verläuft. Außerdem wünsche ich mir, dass Inklusion nicht nur ein Wort bleibt, sondern in unserer Gesellschaft, auf allen Ebenen und in allen Köpfen, Fuß fasst.

Für unsere Familie kann ich mir nicht mehr wünschen als das, was wir bereits haben…, außer vielleicht noch ein weiteres Geschwisterchen für unsere drei.

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