Home » Krankheitsbilder » LHON: Medizinischer Durchbruch bei der Therapie
Krankheitsbilder

LHON: Medizinischer Durchbruch bei der Therapie

Foto: atibody/Shutterstock

Interview mit Prof. Dr. Thomas Klopstock über Therapiemöglichkeiten bei LHON.

Was ist LHON und wie äußert sich diese Erkrankung?

Die Leber’sche Hereditäre Optikus-Neuropathie ist eine seltene erbliche Erkrankung der retinalen Ganglienzellen und führt innerhalb von Wochen oder Monaten zu einem meist anhaltenden hochgradigen und beidseitigen Sehverlust. Ungefähr eine unter 30.000 Personen erkrankt an LHON, dabei erkranken Männer deutlich häufiger als Frauen. Das Erkrankungsalter liegt meist zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr.

Ursache der Erkrankung sind Mutationen der mitochondrialen DNA, die ausschließlich über die mütterliche Linie vererbt werden. Wichtig ist, dass längst nicht jeder Träger der Mutation auch erkrankt, man spricht von verminderter Penetranz (Durchschlagskraft) der Mutation. Die Wahrscheinlichkeit zu erkranken wird zusätzlich durch Umweltfaktoren beeinflusst, z. B. konnte Zigarettenrauchen in einer großen epidemiologischen Studie als gesicherter Risikofaktor für ein erhöhtes Erkrankungsrisiko nachgewiesen werden.

Welche Therapieoptionen bestanden bisher für Patienten mit LHON und welchen Stellenwert hat die jetzt verfügbare medikamentöse Therapie?

Bisher gab es keine gesicherte Therapie für die Erkrankung, aber in den letzten Jahren gibt es einige ermutigende Ansätze. Hier ist die Gentherapie zu nennen, bei der die Wildtyp-Sequenz des betroffenen mitochondrialen Gens (also ohne die krankheitsspezifische Mutation) in einen Vektor verpackt und direkt in die Nähe der betroffenen Netzhaut gespritzt wird. Nachdem dies in präklinischen Untersuchungen und insbesondere in Tiermodellen gut funktioniert hat, ist inzwischen eine klinische Studie am Menschen hierzu angelaufen, unter Beteiligung unserer Klinik.

Der größte Durchbruch bislang in der Behandlung von LHON ist aber die europaweite Zulassung von Idebenone (Markenname Raxone) für diese Erkrankung. Idebenone ist ein ZNS-gängiger Wirkstoff, der die Funktion der Atmungskette insbesondere bei einem Komplex I-Defekt (wie er bei LHON vorliegt) verbessern kann und zudem sehr gut freie Sauerstoff-Radikale entgiftet.

Wir konnten vor einigen Jahren bereits in einer randomisierten placebo-kontrollierten Studie (RHODOS – Rescue of Hereditary Optic Disease Outpatient Study) mit 85 LHON-Patienten zeigen, dass sich die Sehschärfe bei einem Teil der Patienten im frühen Krankheitsverlauf durch eine Behandlung mit Idebenone relevant verbessern kann.

Seitdem konnte dieser Effekt mehrfach bestätigt werden, zuletzt durch einen Vergleich von 93 in einem „ Expanded-Access Program“ behandelten Patienten im Vergleich zu historischen unbehandelten Kontrollen. Die Summe dieser Daten hat letztlich die europäische Zulassungsbehörde EMA (European Medicines Agency“) überzeugt und im September 2015 zur europaweiten Marktzulassung für Raxonegeführt.

Das ist ein richtiger medizinischer Durchbruch, weil es nicht nur die erste zugelassene Behandlung für LHON ist, sondern überhaupt die erste zugelassene Therapie für eine mitochondriale Erkrankung.

Welche Patientengruppen können mit Raxone therapiert werden?

Die Zulassung macht diesbezüglich keine Einschränkungen, aber aus unserer Erfahrung heraus würden wir vor allem Patienten in den ersten 2 Jahren nach Krankheitsbeginn behandeln oder wenn Anzeichen für eine weiterbestehende Floridität der Erkrankung bestehen.

In der RHODOS-Studie wurden Patienten eingeschlossen, die seit bis zu 5 Jahren an Sehverlust litten. Hier zeigte sich, dass eine Verbesserung der Sehschärfe auch bis zu diesem Zeitraum möglich ist. Letztlich muss das der behandelnde Arzt individuell entscheiden. 

Es macht aber sicher keinen Sinn, Patienten zu behandeln, die seit 10 Jahren eine hochgradige stabile Sehbehinderung haben und deren Sehnerv schon massiv atrophiert ist. Außerdem ist wichtig zu erwähnen, dass Raxoneunter der derzeitigen Zulassung nicht bei Kindern unter 12 Jahren angewendet werden soll.

Welche frühen Anzeichen deuten auf LHON hin und was sollten Augenärzte tun, wenn sie einen Patienten mit diesen Anzeichen in ihrer Praxis sehen?

Die Erkrankung beginnt meist auf einem Auge mit einer akuten schmerzlosen Herabsetzung der Sehschärfe mit zentralem Gesichtsfeldausfall, wobei in den meisten Fällen binnen weniger Wochen oder Monaten auch das zweite Auge befallen wird.

Im weiteren Verlauf nimmt die Sehschärfe weiter ab und erreicht nach rund drei Monaten einen Endpunkt von meist weniger als zehn Prozent Sehkraft. Weiterhin berichten viele Patienten über vermehrte Blendempfindlichkeit und eine Störung des Farbensehens bereits in der Frühphase der Erkrankung. Entscheidend ist, dass Augenärzte schon beim Befall des ersten Auges an die Differentialdiagnose LHON denken.

Bis jetzt wird hier meist an die wesentlich häufigere Sehnervenentzündung gedacht, wie sie z. B. als Erstmanifestation einer Multiplen Sklerose vorkommt. Die Patienten bekommen dann eine Kernspintomographie des Gehirns, eine Nervenwasseruntersuchung und einen Therapieversuch mit hochdosiertem Cortison, worauf sich LHON im Gegensatz zur Sehnervenentzündung aber nicht bessert.

Oft wird dann erst Monate später bei Befall des zweiten Auges LHON in die Differentialdiagnose einbezogen, wenn überhaupt. Hier sollte die Aufmerksamkeit der Augenärzte für LHON noch deutlich gesteigert werden, zumal die Diagnose durch einen einfachen und kostengünstigen Gentest schnell gesichert werden kann und insbesondere da jetzt mit Raxone eine Therapie zur Verfügung steht.

Welche praktischen Aspekte sind für diese medikamentöse Therapie zu beachten?

Die empfohlene Dosis beträgt zwei Tabletten dreimal täglich (insgesamt also 6 Tabletten pro Tag entsprechend 900 mg Idebenone). Die Tabletten sollen zu den Mahlzeiten eingenommen werden, und unzerteilt mit etwas Flüssigkeit heruntergeschluckt werden. Das Medikament ist äußerst gut verträglich und arm an Wechselwirkungen, trotzdem soll der behandelnde Arzt natürlich bei jedem Patienten individuell auf Vorerkrankungen, Unverträglichkeiten und andere eingenommene Medikamente achten.

Sobald die Diagnose gesichert ist – wann sollte man mit der Therapie beginnen und wie lange sollte diese durchgeführt werden?

Die Therapie sollte sofort nach Diagnosestellung begonnen werden, da es Hinweise gibt, dass der Effekt von Raxone umso besser ist, je früher im Krankheitsverlauf es eingesetzt wird. Bei einem Teil der Patienten, bei denen das zweite Auge noch eine relativ gute Sehkraft hat, kann diese sogar durch die frühzeitige Behandlung erhalten werden.

Aus meiner Erfahrung sollte die Behandlung für mindestens 2 Jahre durchgeführt werden, da wir bis zu diesem Zeitpunkt, in Einzelfällen auch darüber hinaus, bei unseren Studienpatienten noch Verbesserungen beobachtet haben.

Wenn nach dieser Zeit gar keine Verbesserung eintritt, kann man aus meiner Sicht die Therapie beenden. Sollte eine Verbesserung eintreten, würde ich dafür plädieren, die Therapie fortzuführen, da die biologischen Mechanismen von LHON ja weiter am Werk sind, und eine Beendigung der Therapie theoretisch zu einem Rückfall führen könnte.

Nächster Artikel