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HAE

Leben ohne Angst

Normalität
Dank guter Beratung und einer auf sie abgestimmte Therapie kann Julia ihren Alltag heute genießen.

Bei Julia Schäfer wurde im Alter von 16 Jahren das hereditäre Angioödem (HAE) diagnostiziert.

Wie sie damit umgegangen ist und warum die Ärzte anfangs versagt haben, erzählt die Gesundheits- und Krankenpflegerin im Interview.

Frau Schäfer, mit 16 Jahren hat sich Ihr Leben radikal verändert: Bei Ihnen wurde die seltene Erkrankung HAE diagnostiziert. Wie wurde dies festgestellt?

Die Krankheit ist in unserer Familie schon seit langer Zeit bekannt. Bei meinem Papa wurde HAE diagnostiziert, als er 25 Jahre alt war. Durch Bluttests wurde dann herausgefunden, dass auch meine Oma betroffen ist. Bei mir wurde gesagt, dass man die Krankheit erst mit meinem 16. Lebensjahr feststellen oder ausschließen kann.

In der Humangenetik der Uniklinik Tübingen habe ich dann einen Bluttest machen lassen, und der hat besagt, dass ich zu 99,9 Prozent vom hereditären Angioödem betroffen bin.

Gab es vorher Symptome, die bereits darauf schließen ließen, dass Sie HAE haben könnten?

Nein, gar nicht. Bei meinem Papa war das so, dass er bereits als kleines Kind sehr oft Bauchschmerzen hatte oder ihm die Hände oder Füße angeschwollen sind. Weil das bei mir nicht der Fall war, sind wir alle davon ausgegangen, dass ich nicht betroffen bin.  

Ich war mitten in der Ausbildung, wollte reisen, einfach mein Leben genießen. Damals dachte ich, dass dies nun alles vorbei ist.

Wie sind Sie dann mit der Diagnose zurechtgekommen, und wie hat Ihr engstes Umfeld reagiert?

Wir waren alle sehr geschockt. Uns wurde damals erklärt, dass ich den Gendefekt in mir trage, es kann aber sein, dass es nie zum Ausbruch kommt, weil mein Körper mit dem CI-Inhibitor-Mangel klarkommt. Wenn es nicht so sei, müsse ich bei Symptomen jedes Mal ins Krankenhaus, da die Medikamente, die mein Papa genommen hat, für mich nicht infrage kämen, weil darin männliche Hormone enthalten seien.

Gab es für Sie keine Medikamente?

Damals hieß es, dass es keine Medikamente für Frauen gibt. Das hat mir und meinen Eltern auch am meisten Angst gemacht. Wir haben uns immer gefragt: Was, wenn es zum Ausbruch kommt und mir gleich beim ersten Mal der Hals zuschwillt?

Wann brach die Krankheit das erste Mal akut bei Ihnen aus, und was passierte dabei mit Ihrem Körper?

Das war der 31. Mai 2013. Damals war ich in der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Morgens in der Frühschicht fing mein Arm zu schmerzen an, später schwoll meine Hand bis zum Ellbogen an. Ich konnte nicht mal mehr einen Pullover anziehen.

Daraufhin bin ich ins Krankenhaus gefahren. Medikamente wurden mir nicht verabreicht. Ich lag einfach nur da und kam mir vor wie ein Versuchskaninchen. Einen Tag später wurde ich entlassen, mit der Aussage, dass ich jedes Mal wiederkommen müsse, sobald es wieder ausbricht. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen.

Warum?

Weil ich nicht wusste, wie oft dies der Fall sein würde – einmal pro Woche, pro Monat, pro Jahr? Ich war mitten in der Ausbildung, wollte reisen, einfach mein Leben genießen. Damals dachte ich, dass dies nun alles vorbei ist.

Wie ging es weiter?

Ich bin zu meinem Hausarzt, der mir die Aussage bestätigte: jedes Mal Krankenhaus bei Ausbruch. Daraufhin begann ich, mich im Internet zu informieren, und bin auf die HAE-Vereinigung gestoßen, habe über Facebook mit ihnen kommuniziert und meine Geschichte erzählt.

Die waren schockiert über die Aussagen der Ärzte, denn es gibt Medikamente – für Männer und Frauen –, und das schon seit 20 Jahren. Die Vereinigung hat uns an ein Spezialzentrum in Mörfelden-Walldorf verwiesen. Dort sind wir jetzt seit Jahren in Behandlung und bestens aufgehoben.

Wie wird die Krankheit jetzt behandelt?

Ich verabreiche mir das Medikament durchschnittlich einmal pro Woche selbst, was sehr gut funktioniert und mir ermöglicht, ohne Angst zu leben, zu arbeiten, zu verreisen und zu genießen. Das ist ein schönes Gefühl. 

Sie haben weitere Fragen?

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