⬇Lesen Sie weiter unten den Gastbeitrag von Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow. ⬇
Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSEs) spielen bei der Diagnostik und der Erforschung Seltener Erkrankungen eine tragende Rolle. Wir sprachen mit Prof. Dr. Reinhard Berner vom USE Dresden, welche Schwerpunkte dort eine besondere Rolle spielen und wie bereits Medizinstudierende in Dresden an dieses Thema herangeführt werden.
Die Suche nach der richtigen Diagnose ist unglaublich spannend. Es ist eine Suche nach Indizien und Bausteinen, die in der Gesamtheit dann idealerweise auf die richtige Spur und damit zur Diagnose führen.

Prof. Dr. med. Reinhard Berner
Sprecher des Universitäts-Centrums für Seltene Erkrankungen (USE) am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Foto: Universitätsklinikum Dresden
Herr Prof. Berner, die Diagnose von Seltenen Erkrankungen stellt auch versierte Mediziner oft noch vor Herausforderungen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach, und was ist die größte Herausforderung dabei?
Dabei spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Zum einen ist das die Seltenheit an sich, so dass ein Hausarzt, Kinderarzt oder Internist in seinem Alltag nicht häufig mit solchen Krankheitsbildern konfrontiert ist, manche treten seltener als 1 zu 1 Million auf; bei mittlerweile 6.000 bis 8.000 bekannten Seltenen Erkrankungen ist es schlechterdings unmöglich, alle davon zu kennen. Zum anderen sind die Symptome oft unspezifisch oder schwer in den richtigen Zusammenhang zu bringen, denn oft weisen einzelne Symptome erst einmal auf weitaus häufiger auftretende Erkrankungen hin. Es ist also detektivischer Spürsinn gefragt, um die spezifischen Symptome oder Symptomkonstellationen ausfindig zu machen, die dann wirklich auf eine Seltene Erkrankung hindeuten.
Zentren für Seltene Erkrankungen wie das UniversitätsCentrum für Seltene Erkrankungen (USE) in Dresden sind daher eine wichtige Anlaufstelle für Betroffene und darüber hinaus auch für Angehörige. Was macht Ihre Arbeit an solchen Zentren so besonders?
Eine wichtige Aufgabe dieser Zentren ist es, für Patienten mit unklarer oder fehlender Diagnose eine Anlaufstelle zu sein, wo sie mit ihren Beschwerden und ihrer oft langen, odyseehaft verlaufenden Krankheitsgeschichte aufgefangen und ggf. auch weitervermittelt werden können, wenn sich der Verdacht auf eine Seltene Erkrankung erhärtet. Wir besprechen solche Fälle in einer interdisziplinären Fallkonferenz:
Um auch bei den angehenden Medizinern besondere Aufmerksamkeit für Ihr neues Angebot zu erzielen, haben Sie dem Vorhaben einen Untertitel gegeben: Stichwort: „Dr. House“. Warum?
Wir wollten natürlich einen gewissen Anreiz schaffen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, und direkt an den detektivischen Spürsinn unserer Studierenden appellieren. Denn am Ende ist die Suche nach der richtigen Diagnose unglaublich spannend, es ist eine Suche nach Indizien und Bausteinen, die in der Gesamtheit dann idealerweise auf die richtige Spur und damit zur Diagnose führen.
Sie verstehen sich als vernetztes Zentrum, das seine interdisziplinäre Expertise auch für die Forschung nutzt. Wie muss man sich diese vernetzte Forschungsarbeit praktisch vorstellen, und gibt es Bereiche oder Krankheitsbilder, die Sie am dabei am USE besonders im Blick haben?
In Dresden haben wir hier schon seit vielen Jahren ganz verschiedene Projekte erfolgreich umgesetzt, allen voran vielleicht das Projekt Translate NAMSE, in dem es exemplarisch darum ging zu zeigen, wie interdisziplinäre Fallkonferenzen und die genetische Diagnostik dazu beitragen, Diagnosewege zu verkürzen und Betroffenen eine Behandlung zu ermöglichen, wenn es für die Erkrankung zielgerichtete Therapien gibt und welche Voraussetzungen gegeben sein sollten, um eine Empfehlung für eine genetische Diagnostik abzuleiten. Denn nur dann erreicht man dabei auch eine Zielgenauigkeit von 30 bis 40 Prozent bei der Diagnosestellung. Und tatsächlich hat dieses Projekt dazu geführt, dass wir heute den Patienten, die dafür in Frage kommen, z. B. im Rahmen des Modellvorhabens Genomsequenzierung in der Initiative genom.de eine entsprechende genetische Diagnostik anbieten können. Zudem haben wir natürlich an unserem Uniklinikum, und im speziellen an der Kinderklinik, bestimmte Schwerpunkte der klinischen Forschung, aber auch der Grundlagenforschung. Das sind bei uns insbesondere Erkrankungen des Immunsystems, aber auch Erkrankungen der Nebenniere und neurologische und neuromuskuläre Erkrankungen. Außerdem beschäftigen wir uns intensiv mit dem Neugeborenenscreening, das es bereits seit Ende der 1960er Jahre und damit mittlerweile seit über 50 Jahren gibt und in gewisser Weise den Anfang der systematischen Beschäftigung mit den Seltenen Erkrankungen darstellt. Dabei wird ein Blutstropfen des Neugeborenen über eine Trockenblutkarte auf bestimmte Stoffwechselerkrankungen, Hormon- oder Bluterkrankungen und Immundefekte untersucht. Hier arbeiten wir mit anderen nationalen und internationalen Zentren zusammen u.a. zu der Frage, ob ein genetisches Neugeborenenscreening sinnvoll sein könnte; hier gibt es aber noch sehr viele offene Fragen, die es vorab zu klären gilt, weshalb wir uns auch damit beschäftigen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen und in welcher Form man Aufklärungsarbeit betreiben müsste, um die notwendige Akzeptanz für eine solch neue Screeningform zu schaffen. Insofern kann man zusammenfassen, dass es bei den Seltenen Erkrankungen immer sehr komplexe Zusammenhänge und Sachverhalte sind, mit denen man sich auseinandersetzen muss.

Erleben Sie das Wissenschaftsland Sachsen:
SPIN 2030.
Ein Gastbeitrag von Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow.
TECHNOLOGIE IN KOMBINATION MIT SENSIBILISIERUNG HILFT BETROFFENEN KONKRET
Trotz enormer Fortschritte vergeht für den einzelnen Patienten in der Regel noch zu viel Zeit, bis er oder sie Gewissheit hat.

Foto: Ben Gierig
Eine der größten Herausforderungen im Umgang mit Seltenen Erkrankungen bleibt ihre Diagnose. Trotz enormer Fortschritte vergeht für den einzelnen Patienten in der Regel noch zu viel Zeit, bis er oder sie Gewissheit hat. Diese Zeit ist geprägt von Einschränkungen im Alltag, Beschwerden und der bohrenden Frage: „Was ist mit mir?“ Künstliche Intelligenz birgt ein ungeheures Potential, die Antwort auf diese Frage in Zukunft viel schneller zu geben.
Der Freistaat Sachsen unterstützt deshalb gemeinsam mit weiteren Partnern beispielsweise die Forschung an KI-Modellen, die mit tausenden medizinischen Datensätzen trainiert werden und in der Lage sind, von der Analyse auf eine Seltene Erkrankung zu schließen. Die Universitätsmedizin in Leipzig und Dresden gehört hier klar zu den Spitzenzentren in Deutschland, im engen Netzwerk mit weiteren forschungsstarken Hochschulen im Bereich KI und außeruniversitären Einrichtungen.
Hinzu kommt die Expertise der beiden Zentren für Seltene Erkrankungen in Sachsen, als Anlaufstelle für Ärztinnen und Ärzte, Patienten und Mediziner in Ausbildung. Sie sind auch Bindeglied zwischen Biotechnologie, IT und Medizin und erreichen eine 360 Grad-Sensibilisierung für Seltene Erkrankungen, was dazu beiträgt, Betroffenen schneller helfen zu können.
SPIN 2030.
Wissenschaftsland Sachsen
Aus Tradition in Bewegung: Der Forschungsstandort Sachsen überzeugt durch eine enorme Vielfalt, Attraktivität und Exzellenz und belegt in vielen Bereichen Spitzenpositionen. Das wollen wir mit der Kampagne
SPIN 2030 zeigen!
Weitere Informationen finden Sie unter:
spin2030.com
instagram.com/spin_2030
facebook.com/spin2030agenda
youtube.com/@spin-2030
linkedin.com/company/spin-2030