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Gentherapie bei LHON

Foto: zffoto via Shutterstock

Die seltene erbliche Augenkrankheit LHON soll Studien zufolge erstmals ursächlich behandelt werden können. Durchgeführt wurden die randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden Studien an sieben Zentren weltweit, darunter am LMU Klinikum München (Friedrich-Baur-Institut an der Neurologi-schen Klinik und Augenklinik) unter der Leitung von Prof. Thomas Klopstock. Im Interview spricht er über den aktuellen Stand der Forschung.

Prof. Dr. med. Thomas Klopstock

Friedrich-Baur-Institut an der Neurologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)

Können Sie uns kurz die Erkrankung LHON beschreiben?

Die Lebersche Hereditäre Optikus-Neuropathie (LHON) ist mit einer Häufigkeit von ca. 1:30.000 eine der häufigsten mitochondrialen Erkrankungen. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten. In der akuten Phase beschreiben die Patienten eine schmerzlose subakute Verschlechterung des zentralen Sehens, häufig auch des Farbensehens, die i. A. zunächst monokulär beginnt und dann innerhalb weniger Wochen oder Monate auch das zweite Auge betrifft. In der Mehrzahl der Fälle bleibt eine hochgradige permanente Sehverschlechterung, insbesondere des zentralen Sehens, zurück. Die klinischophthalmologische Diagnosestellung gelingt oft nicht auf Anhieb, meist wird zunächst unter der Verdachtsdiagnose einer Optikusneuritis weitere Diagnostik und Therapie veranlasst. Entscheidend ist daher, an die Möglichkeit einer LHON zu denken, und möglichst schnell den einfachen und kostengünstigen Gentest aus dem Blut zu veranlassen.

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Warum ist das Auge für eine Gentherapie bestens geeignet?

Die derzeit per Gentherapie adressierten Augen-Erkrankungen sind auf Netzhaut und Sehnerv beschränkt. Das heißt: Man kann die Gentherapie lokal in das Auge  und somit direkt in die Nähe der Zellen injizieren, wo sich die Wirkung entfalten soll. Zudem ist das Auge ein „immun-privilegiertes“ Organ, d.h. es ist sehr unwahrscheinlich, dass die lokale Injektion in das Auge zu einer systemischen Immunreaktion führt.

Gentherapien wecken großes Interesse. Was können Sie zur Sicherheit einer solchen Therapie sagen?

Das größte Risiko besteht bei systemisch verabreichten Gentherapien in einer überschießenden Immunreaktion auf Bestandteile des Gentherapie-Vektors, meist auf den Trägervirus. Die inzwischen meist verwendeten Adeno-assoziierten Virus-Vektoren (AAV-Vektoren) sind diesbezüglich bereits viel weniger immunogen als früher verwendete Vektoren, doch auch bei AAV-basierten Gentherapien können Immunreaktionen auftreten. Bei lokaler  Verabreichung in das Auge ist diese Gefahr deutlich geringer. Insgesamt gilt: Auch wenn die Gentherapien heutzutage relativ sicher sind, muss jeder Ansatz in Studien neu geprüft werden.

Da bei der Gentherapie defekte Gene ausgetauscht oder repariert werden, wird das Problem sozusagen an der Wurzel gepackt. Können Sie schon etwas zur Wirksamkeit der Therapie bei LHON sagen, und wie nachhaltig die einmal erzielten Verbesserungen sein könnten?

Die Gentherapie wurde inzwischen bei LHON-Patienten mit der Mutation G11778A in mehreren klinischen Studien untersucht. Die einmalige, unilaterale, intravitreale Injektion des Gentherapie-Vektors (ND4-cDNA verpackt in rekombinanten Adeno-assoziierten Virus 2, rAAV2) war in zwei Phase-3-Studien gut verträglich und wirksam. Bei 37 LHON-Patienten, die die Injektion 6-12 Monate nach Symptombeginn erhielten, fand sich nach 96 Wochen eine Verbesserung der Sehkraft des injizierten Auges um im Mittel 15 Buchstaben auf der Sehtafel und des kontralateralen Auges um 13 Buchstaben. Als Erklärung für den kontralateralen Effekt fand sich in Primatenversuchen ein Transfer des Gentherapie-Konstrukts über die Sehnervenkreuzung. Ähnlich positive Ergebnisse fanden sich bei weiteren 38 Patienten mit unilateraler Injektion weniger als sechs Monate nach Symptombeginn. Auch nach mehrjähriger Nachverfolgung schneiden die behandelten Patienten deutlich besser ab als im natürlichen Verlauf der Erkrankung. Eine Zulassung des Gentherapeutikums ist beantragt.

Aktuell ist die Therapie in Deutschland noch nicht verfügbar. An wen können sich Patienten wenden, um möglichst frühzeitig behandelt zu werden?

Die randomisierten Studien sind erfolgreich beendet, eine Zulassung ist bei der EMA beantragt. Um die Zeit bis zur Zulassung zu überbrücken, planen wir ein sog. Expanded-Access-Programm (EAP). Solche Programme bieten Patienten mit Krankheiten, für die es noch keine Behandlungsmöglichkeiten gibt, Zugang zu Präparaten außerhalb von klinischen Studien und vor der Einführung des Medikaments. 

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