Vor circa zehn Jahren erfuhr Familie K., dass ihre Tochter Sofia (Name von der Redaktion geändert) an der seltenen Erkrankung Alpha-Mannosidose leidet. Über die Zeit bis zur Diagnose und das Leben mit der Krankheit spricht Frau K. im Interview.
Wir schreiben das Jahr 1982, als Ihre Tochter zur Welt kommt. Wie empfinden Sie die ersten Jahre?
Sofia war schon immer ein kleiner Wildfang gewesen. Sie hat sich anfangs recht gut entwickelt, aber Probleme beim Laufen hatte sie schon immer. Sie ist zwar immer umhergelaufen und hat getobt, aber lange Strecken wie beispielsweise einen Spaziergang konnte sie nicht bewältigen.
Wir haben uns anfangs nichts dabei gedacht, weil es ja viele Kinder gibt, die nicht gerne lange Strecken zurücklegen. Sie war öfter krank und hatte einige Lungenentzündungen, aber auch das war für uns zunächst nicht ungewöhnlich. Als sie zwei Jahre alt war, stellten die Ärzte bei ihr eine hochgradige Schwerhörigkeit fest.
Wir haben das Laufen, die häufigen Lungenentzündungen und die Schwerhörigkeit immer getrennt voneinander betrachtet. Für uns gab es keinen Zusammenhang zwischen Laufen und Schwerhörigkeit oder Lungenentzündung und Gleichgewichtsproblemen. Gegen die Schwerhörigkeit hat Sofia ein Hörgerät bekommen und die Probleme beim Laufen wurden orthopädisch behandelt.
Die Diagnose von seltenen Erkrankungen dauert oft Jahre. Wie lange dauerte es, die Alpha-Mannosidose bei Ihrer Tochter festzustellen, und welcher Facharzt stellte die Diagnose?
2003 wurde Sofia an der Hüfte operiert. Der Eingriff an sich ist gut verlaufen, aber wir haben sie einfach nicht mehr auf die Beine bekommen, damit sie läuft. Der Orthopäde hat dann auch immer schon Bedenken geäußert, dass irgendetwas nicht stimmen kann. Sie hat Krankengymnastik und Wassersport gemacht. Wir haben sie zusätzlich physiotherapeutisch zu Hause betreut, sind Treppen gestiegen und haben versucht, alles möglich zu machen, damit unsere Tochter wieder laufen kann. 2009, als Sofia schon über 25 Jahre alt war, hat unser Orthopäde uns dann weiter zu einem Spezialisten überwiesen, und da erhielten wir dann die Diagnose.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Zunächst konnten wir überhaupt nicht verstehen, dass es ein Krankheitsbild gibt, das all diese Symptome beinhaltet. Und dann kam relativ schnell die Frage auf, warum es zuvor niemandem aufgefallen ist. Heute wissen wir, dass diese Symptome in Kombination ausschlaggebend für die Alpha-Mannosidose sind, aber damals hätten wir uns einfach gewünscht, dass ein Experte schon eher stutzig geworden wäre. Ich konnte lange Zeit nicht mit der Situation umgehen, aber mein Mann hat sich sofort alle Informationen eingeholt, die wir brauchten, und damit Sofia und mich sehr unterstützt.
Heute ist Ihre Tochter 36 Jahre alt. Bitte geben Sie uns einen kurzen Einblick in den Alltag von Ihnen und Ihrer Tochter.
Sofia hat sich wirklich gut entwickelt und ist eine lebenslustige junge Frau geworden, die weiß, was sie möchte. Wir haben zeitgleich mit der Diagnose unser Leben komplett umstrukturiert und unterstützen sie nach wie vor in der Krankengymnastik, sie geht zum Logopäden und wir achten auch darauf, dass wir das beibehalten, auch wenn einige Tage schwieriger sind als die anderen. Das Krankheitsbild ist fortschreitend, das wissen wir, aber deshalb versuchen wir, jede freie Minute gemeinsam zu nutzen, und unternehmen viel in der Familie, aber auch mit Freunden.
Was möchten Sie Eltern mit auf den Weg geben, deren Kind möglicherweise auch an einer seltenen Erkrankung leidet?
Wenn ich heute an die Diagnose von Sofia zurückdenke, dann ist es nach wie vor ein Schock, aber zu ändern ist es auch nicht. Diese Erkenntnis hat uns als Familie immer weitergeholfen und wir haben nie aufgehört, unserer Tochter alles zu ermöglichen. Der Zusammenhalt in unserer Familie ist wahnsinnig stark, und wenn ich eines weitergeben kann, dann ist es, niemals aufzugeben und die Zeit, die noch bleibt, mit so viel Leben wie möglich zu füllen.