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Betroffenen-Bericht zur Diamond-Blackfan-Anämie

Foto: Elnur/Shutterstock

Viele meiner Freunde wissen nicht, dass ich eine chronische Anämie habe..

Tamino, 18 Jahre

… und wenn ich es ihnen sage, dann eher beiläufig, so als sei es keine große Sache, nichts, worum man sich Sorgen machen sollte. Auf mich trifft das auch so zu. Es ist keine große Sache für mich, nicht mehr!

Am Anfang meiner Pubertät, als  mir so richtig bewusst wurde, was es heißt, an der Diamond-Blackfan-Anämie erkrankt zu sein, da war es schwer. Immer wieder stellte sich mir die Frage: Warum? Warum ausgerechnet ich? Damals gab es zur Eisenausscheidung noch keine Tabletten, da diese erst seit wenigen Jahren auf dem Markt sind.

Ich bekam jede Nacht ein Medikament als Infusion mit einer Nadel in die Bauchhaut, das die ganze Nacht lief. Auch wenn ich es schon seit meinem 3. Lebensjahr so kannte, konnte ich mich nie daran gewöhnen und mir nur sehr schwer vorstellen, ein Leben lang die Nacht so zu verbringen. Anders war es mit den Bluttransfusionen, die ich seit meinen ersten Lebensstunden alle 3 – 4 Wochen bekomme.

Mittlerweile gehört es zu meinem Alltag, ins Krankenhaus und auch zu den regelmäßigen Untersuchungen zu gehen, einen venösen Zugang für jede Blutübertragung zu bekommen und innerhalb von einigen Stunden einen knappen Liter Blut zu erhalten.

Lange Zeit ging ich sogar gern dorthin, weil über die Jahre die Krankenschwestern mich ins Herz geschlossen hatten und ich sie ebenfalls. Schwester Anette kennt mich, seitdem ich Baby bin und wird scherzhaft als meine “zweite Mutter” betitelt, weil sie mir eine gute Vertraute und Freundin geworden ist.

Nach jedem Urlaub oder besonderen Ereignis zeige ich ihr alle Fotos und berichte, was sich zwischenzeitlich ereignet hat. Ebenso ist die Klinikpsychologin im Laufe der Pubertät eine wichtige Stütze geworden. Mit ihr konnte ich über das Erwachsenwerden sprechen und erhielt viel Zuspruch und Kraft, um mit allen Dingen, die mich beschäftigten, umzugehen.

Seitdem ich auf der Erwachsenen-Station bin und nur ab und zu an der Kinderstation vorbeischauen kann, bilden die meisten eine Traube um mich und möchten alles wissen, was mein Studium macht und vor allem, wie es jetzt bei den “Erwachsenen” so ist.

Die neue Station ist anders, wodurch sich auch mein Gefühl zur Anämie verändert hat. Dort ist man nicht mehr der Mensch, der vorbeikommt, damit es einem danach besser geht, sondern man ist eine Wartenummer und Akte. Es ist ereignisloser geworden, was auf die Zukunft geblickt, vielleicht sogar einfacher ist.

So glauben mir die Menschen mehr, dass es nun keine große Sache ist. Es ist nicht wie Krebs oder eine Autoimmunerkrankung, bei der als Ende der eventuell verfrühte Tod oder ein langer Leidensweg steht.

Für mich ist es einfach ein Weg, der einem die Chance gibt, an Reife zu gewinnen und ein Gefühl für sich und für das Handeln gegenüber der Umwelt zu bekommen. Ich sehe es als Aufgabe, damit umzugehen, und zum Teil als Bereicherung meines Lebens.

Anmerkungen zu diesem Bericht von einer Mutter eines betroffenen Kindes:

Dieser Bericht schildert eine positive Einstellung des jungen Mannes zu seiner Anämie und ich würde mich freuen, wenn das Leben mit der Anämie von jedem so positiv aufgenommen werden würde.

Leider ist dies nicht immer der Fall. In vielen Fällen schränkt die Anämie das Leben jedoch enorm ein. z.B. Kinder können nicht ungezwungen allein in Ferienfreizeiten, z.B. Schullandheimbesuch, denn wer die seit kurzem auf dem Markt erhältliche Tablette zur Eisenausscheidung nicht verträgt, muss täglich nachts intravenös Medikamente verabreicht bekommen.

Urlaube müssen zwischen zwei Bluttransfusionen geplant werden. Ein zunehmend niedriger werdender Blutwert schränkt das Leistungsvermögen ein, ganz zu Schweigen von den Nebenwirkungen der dauerhaften Medikamenteneinnahme.

Als Mutter eines betroffenen Kindes kann ich nur sagen, dass dies besonders für Eltern eine psychisch sehr belastende Situation ist. Babys und Kinder, die ständig im Krankenhaus Prozeduren über sich ergehen lassen müssen, die auch immer mit Schmerzen verbunden sind, z.B.  Injektionen. Oder Kinder, die unter den Nebenwirkungen der Medikamente leiden (Osteporose, Magenprobleme, Leber und Herz mit erhöhter Eisenüberladung).

Wir hatten schon ein Kind in unserer Gruppe, das die ständigen Transfusionen nicht mehr ertragen konnte und nach einer Knochenmarktransplantation mit 10 Jahren verstarb.

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