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Cushing-Syndrom: Wenn ein Zuviel an Cortisol krank macht

Cushing syndrom
Cushing syndrom
Foto: crystal light/Shutterstock

Im Interview spricht PD Dr. med. Ulf Elbelt über die seltene Hormon- und Stoffwechselerkrankung.

Wie äußert sich das Cushing-Syndrom?

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PD Dr. med. Ulf Elbelt

Oberarzt, Medizinische Klinik m.S. Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin, Charité-Universitätsmedizin Berlin

Das Cushing-Syndrom wird durch eine gesteigerte und unzureichend regulierte Freisetzung des Hormons Cortisol aus den Nebennieren in das Blut hervorgerufen. Über den Blutweg wirkt das Überangebot an Cortisol verändernd auf zahlreiche Gewebe und Organe ein. Die erhöhte Cortisolkonzentration führt zur verminderten Aufnahme von Zucker aus dem Blut in das Gewebe, sodass es zur Blutzuckererhöhung bis hin zur Entwicklung eines Diabetes mellitus kommen kann. Weiterhin kann es zu einer Erhöhung des Blutdrucks und zu einer Gewichtszunahme kommen. All diese Veränderungen führen zu einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Überschuss an Cortisol führt jedoch auch zu weiteren krankhaften Veränderungen, so ist insbesondere die Wirkung auf den Knochen anzuführen. Die gesteigerte Cortisolwirkung fördert den Knochenabbau (Osteoporose) mit einem erhöhten Risiko für Knochen- oder Wirbelkörperbrüche.

Ebenso kommt es auch zum Abbau der Muskulatur, sodass die Gliedmaßen ungewöhnlich schlank (da an Muskulatur verarmt) im Vergleich zu dem robusten Körperstamm erscheinen. Bei Frauen im gebärfähigen Alter kann der Hypercortisolismus (Überschuss an Cortisol) Zyklusstörungen mit daraus resultierender Unfruchtbarkeit hervorrufen und auch zu einem vermännlichten Behaarungsmuster führen. Die cortisolvermittelte Schwächung des körpereigenen Abwehrsystems begünstigt zudem das Auftreten von Infektionserkrankungen, mit teils schwerem Verlauf. Tritt der Hypercortisolismus vor Beendigung des Längenwachstums im Kindes- oder Jugendalter auf, ist ein vermindertes Wachstum die Folge. Auch das seelische Erleben kann durch die gesteigerten Cortisolspiegel beeinflusst werden, es treten vermehrt depressive Verstimmungen auf.

Vor allem bei weit fortgeschrittener Erkrankung kann es zur veränderten Wahrnehmung der Wirklichkeit kommen, der sogenannten Steroidpsychose. Diagnostisch richtungsweisend können die durch den Hypercortisolismus hervorgerufenen charakteristischen Hautveränderungen sein. Neben einer Hautausdünnung mit gesteigerter Verletzlichkeit und verzögerter Wundheilung kommt es vermehrt zu Hautunreinheiten (Akne) und Einblutungen in die Haut. Häufig entwickeln sich tief rote Dehnungsstreifen im Bereich des Bauchs, der Flanken, Oberschenkel und unter den Achseln, die im Verlauf nicht wieder abblassen.

Das Gesicht wird fülliger und ist gerötet. Das Auftreten von Fettablagerungen im Bereich des Nackens und über den Schlüsselbeinen ist ebenfalls typisch. Durch vermehrte Wassereinlagerung im Gewebe kann es zu Schwellungen der Hände und insbesondere auch der Füße, Knöchel und Unterschenkel kommen.

Leider ist der Weg bis zur Diagnose oftmals lang. Wo­ran liegt das?

Einige Symptome des Cushing-Syndroms wie Bluthochdruck, Zuckererkrankung und Adipositas treten auch im Rahmen des weitverbreiteten metabolischen Syndroms auf. Insbesondere in Anfangsphasen der Erkrankung kann es auch für den erfahrenen Kliniker schwierig sein, anhand der Krankengeschichte und der körperlichen Untersuchung Patienten mit dem sehr seltenen Cu-shing-Syndrom von Patienten mit dem sehr häufig vorkommenden metabolischen Syndrom zuverlässig abzugrenzen. Daher sollte bei Krankengeschichte und körperlicher Untersuchung insbesondere auf Unterscheidungsmerkmale geachtet werden.

Während übergewichtige und adipöse Menschen zumeist einen stabilen Knochen aufweisen, sollte der Bericht von vorausgegangenen Knochen- oder Wirbelkörperfrakturen sowie der apparative Nachweis einer verminderten Knochendichte Anlass geben, mittels gezielter Labordiagnostik das Vorliegen eines Hypercortisolismus auszuschließen. Ebenfalls praxistauglich ist die Überprüfung des Aufstehens aus der Hocke. Während dies für Patienten mit Übergewicht und Adipositas zumindest einmalig gut möglich ist, ist das Aufstehen für Patienten mit Cortisolüberschuss aufgrund des Muskelabbaus prinzipiell nicht ohne Zuhilfenahme der Arme oder fremder Hilfe möglich.

Eine gründliche Begutachtung der Haut sowie die Frage nach gehäuften Hauteinblutungen sollten bei Patienten mit metabolischem Syndrom regelhaft zur diagnostischen Einordnung erfolgen. Auch Abweichungen in der Labordiagnostik sollten beachtet werden, insbesondere die Neigung zum Kaliummangel im Blut. Eine niederschwellige und zielführende Labordiagnostik sollte bei den dargestellten klinischen Krankheitszeichen erfolgen.

Welche Ursachen stecken hinter dieser Erkrankung?

Die Ursachenklärung erfordert die Kenntnis des hormonellen Regelkreises. Gesunde Nebennieren bilden und setzen Cortisol nur auf ein hormonelles Signal hin frei. Dieses ist das in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) gebildete Hormon ACTH (adrenocorticotropes Hormon). Zunächst muss abgegrenzt werden, ob der Cortisolüberschuss durch eine Erkrankung der Nebenniere bedingt ist oder ob eine gesteigerte ACTH-Freisetzung vorliegt. Ist der ACTH-Spiegel sehr niedrig, weist dies auf das Vorliegen einer Nebennierenerkrankung hin. Dieses sogenannten adrenale Cushing-Syndrom wird überwiegend entweder durch einen gutartigen Tumor (Nebennierenrindenadenom) oder ein bösartiges Nebennierenkarzinom hervorgerufen. Andere Ursachen für ein adrenales Cushing-Syndrom sind sehr selten.

Der radiologische Nachweis einer Raumforderung sichert die Diagnose. Ist der ACTH-Spiegel im Referenzbereich erhöht, so liegt die Krankheitsursache entweder in einer gesteigerten ACTH-Freisetzung aus einem Adenom der Hypophyse (Morbus Cushing) oder seltener in einer ACTH-Freisetzung durch einen bösartigen Tumor außerhalb der Hypophyse (paraneoplastisches ACTH-abhängiges Cushing-Syndrom). Ist bereits die Diagnose eines Hypercortisolismus herausfordernd, so ist die Abgrenzung zwischen ACTH-produzierendem Hypophysenadenom und außerhalb der Hypophyse liegendem Malignom sehr aufwendig und durch zahlreiche Fallstricke erschwert. Teilweise ist die endgültige Diagnose erst im längerfristigen Verlauf zu sichern.

Gibt es eine Therapie, die den Betroffenen einen normalen Alltag ermöglicht? Welche Rolle spielt hier die spezialärztliche Versorgung?

Sowohl bei adrenalem Cushing-Syndrom, ACTH-produzierendem Hypophysenadenom oder bei paraneoplastischer ACTH-Produktion ist eine chirurgische beziehungsweise neurochirurgische Entfernung des Tumors anzustreben. Durch die Operation kann häufig eine Heilung erzielt werden. Sollte eine vollständige operative Entfernung des Tumors nicht möglich sein, so sollte bei Hypophysenadenomen die Möglichkeit einer Bestrahlung des Resttumors geprüft werden. Bei paraneoplastischer ACTH-Sekretion ist gegebenenfalls auch eine in Ab­hängigkeit des zugrunde liegenden Tumors auszuwählende Chemotherapie notwendig.

Vorteilhaft ist es, dass seit einigen Jahren bei unzureichender Operationsmöglichkeit oder noch unklarer Krankheitsursache Medikamente eingesetzt werden können, die die überschießende Cortisolproduktion und -freisetzung über unterschiedliche Wirkmechanismen hemmen. Nach zumeist chirurgisch erzielter Heilung kann es mitunter einige Monate bis Jahre dauern, bis sich die Betroffenen wieder vollständig leistungsfähig fühlen. Für die schwierige diagnostische Einordnung der Krankheitsursache, die Betreuung in der perioperativen Phase und auch nach erfolgter Therapie ist die spezialisierte Behandlung durch Endokrinologen unabdingbar.

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