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Die Meilensteine für gesunde Gelenke

Foto: fongbeerredhot via Shutterstock

Ein Gespräch mit Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Strauß, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie in Bonn, über Gelenkschäden bei Hämophilie-Patienten und neue, hilfreiche Therapieansätze.

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PD Dr. med. Andreas Strauß

Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Bonn

Warum ist das Thema Gelenkgesundheit bei Hämophilie-Patienten so brisant?

Hämophilie ist eine Gerinnungsstörung. Sie führt spontan oder bei Unfällen zu Blutungen. Zu 90 Prozent sind die Gelenke betroffen. Typerweise kommt es schon beim Laufen lernen durch eigentlich harmlose Stürze zu Blutungen. Am häufigsten sind Ellenbogen, Knie oder die oberen Sprunggelenke betroffen. Blut im Gelenk führt zu Entzündungsreaktionen, die wiederum zu weiteren Blutungen führen.

Was kann in der Folge passieren?

Dieser Teufelskreis führt zum vorzeitigem gravierendem Verschleiß. Durch vorzeitigen Knorpelverlust leiden Betroffene an Verformungen, Bewegungseinschränkung und erheblichen Schmerzen. Da kann ein Hämophilie-Patient mit 30 Jahren schon schlimmer betroffen sein als ein klassischer Arthrose-Patient im sehr hohen Alter.

Was hat sich im Bereich Gelenkgesundheit für Hämophilie-Patienten durch neue Therapie verbessert?

Besonders jüngere Patienten profitieren jetzt von neuen Therapien, die man als Meilenstein bezeichnen darf. Ein entscheidender Unterschied ist, dass der Arzt früher erst therapeutisch eingriff, wenn es zu Blutungen kam. Heute möchte man Blutungen gleich vermeiden und agiert prophylaktisch. Außerdem kann sich der Patient die Medikamente inzwischen selbst in die Vene oder ins Bauchfett spritzen. Das macht ihn im Alltag unabhängiger. Die Mittel haben zudem eine längere Wirkung.

Kommt es trotzdem noch zu Gelenkeinblutungen, so kann man diese frühzeitig minimal-invasiv effektiv therapieren. Wir ziehen hier zum Beispiel möglichst viel des zerstörerischen Bluts aus dem Gelenk und spritzen anschließend Kortison hinein, damit es gar nicht erst zu einer Entzündung kommt. Man kann einen einmal angefangenen Teufelskreis der Entzündung auch stoppen, indem man lokal wirksame Radionuklide ins Gelenk einspritzt, die die veränderte Gelenkschleimhaut veröden. Manchmal werden Patienten erst vorstellig, wenn ihre Gelenke bereits fortgeschritten verschlissen sind. Hier bleibt teilweise nur die Gelenkversteifung oder der Gelenkersatz durch eine Prothese, um dem Patienten wieder ein schmerzfreies Leben zu ermöglichen. Obwohl bei Hämophilie-Patienten häufig auch die Knochensubstanz und die Muskulatur der betroffenen Gelenke Schaden genommen haben, können wir jedoch heutzutage sehr gute Ergebnisse mit solch einer Prothesen-Versorgung erzielen.

Wie wirken sich neue Therapien auf das Leben der Patienten aus?

Wir stellen bei jungen Patienten fest, die die innovativen Therapien verwenden, dass sie unter deutlich weniger Gelenkveränderung leiden als ältere. Jedoch ist bei den meisten Patienten auch bei guter neuer Therapie eines der Gelenke von Veränderungen betroffen. Nichtsdestotrotz können Betroffene normaler am Gesellschaftsleben teilnehmen. Sie sind weniger isoliert als früher.

Worauf müssen Patienten – abgesehen von der medikamentösen Therapie – achten, um Schäden an den Gelenken vorzubeugen?

Früher hat man Hämophilie-Patienten in Watte gepackt. Heute wollen wir, dass sie Muskeln aufbauen, um die Gelenke zu stabilisieren. Sie sollten Sport machen, allerdings keinen Kontaktsport oder solche mit abrupten Start-Stop-Bewegungen. Hilfreich sind kontrollierte Bewegungen sowie ein geschultes Gangbild. Wie bei Arthrosepatienten sollte kein Übergewicht belasten.

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