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Krankheitsbilder

„Es ging um Leben und Tod“

Als wir Carolin Thurmann kennenlernen, erleben wir eine lebenslustige, starke Frau. Dass sie schwer krank ist, sieht man ihr auf den ersten Blick nicht an. Im Interview spricht sie über ihr Leben mit PAH (Pulmonaler Arterieller Hypertonie).

Frau Thurmann, Sie leiden an der Erkrankung PAH. Können Sie uns erzählen, wie sich die Erkrankung bei Ihnen geäußert hat und wie die Diagnose gestellt wurde? 

Es fing in der Grippewelle 2015 an, auch ich wurde krank, habe es aber erst einmal ignoriert und bin weiter arbeiten gegangen. Doch es wurde immer schlimmer. Ich war schon nach ein paar Treppenstufen aus der Puste, meine Belastungsgrenze sank von Tag zu Tag. Plötzlich traten starke Wassereinlagerungen in den Beinen auf, die Untersuchungen an Herz, Lunge und das Blutbild ergaben jedoch keinen Befund. Allerdings wurde eine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt. Schilddrüsenhormone sowie vorübergehend Entwässerungstabletten wurden verordnet. Die Wassereinlagerungen blieben, zusätzlich löste die Schilddrüsenmedikation Migräneanfälle aus. Neue Symptome wie blaue Lippen, Atemnot und Husten kamen hinzu. Da ich etwas übergewichtig bin, hörte ich von den Ärzten immer wieder, dass ich abnehmen solle und es mir dann besser gehe – das war schrecklich für mich, und meine Selbstzweifel stiegen. Ich versuchte abzunehmen, doch die Probleme blieben, verschlechterten sich sogar, Übelkeit und Erbrechen kamen hinzu. 

Warum sind Sie nicht zum Arzt gegangen?

Meine Hochzeit stand kurz bevor. Darauf hatte ich mich so lange gefreut und alles sollte perfekt sein. Ich hatte Angst, dass ich sie absagen muss. Also zog ich das durch und vereinbarte danach einen Arzttermin, um hoffentlich endlich den Grund für meinen schlechten Gesundheitszustand herauszufinden. Doch dazu kam es gar nicht mehr. In der Nacht vor dem Termin wachte ich mit Schmerzen in den Beinen und akuter Luftnot auf. Der erste Gedanke, ein schlechter Traum, war jedoch nicht die Ursache. Mein Mann fuhr mich zum ärztlichen Notdienst. Der Notarzt nahm mich überhaupt nicht ernst, sagte nur, dass ich Sport machen solle und es dann schon besser werde. Dennoch wollte er eine Zweitmeinung und zog die Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses hinzu. Die stellten eine Sauerstoffsättigung von 62% fest – dass ich überhaupt noch bei Bewusstsein war, war ein Wunder. Sie gaben mir Sauerstoff, doch der Wert stieg nicht an. Zudem wurde eine Herzschädigung festgestellt, die Ursache kannte aber niemand. 24 Stunden später wurde ich in die Lungenklinik Löwenstein verlegt. Ich war ein absoluter Notfall – es ging um Leben und Tod. In derselben Nacht kam dann auch die Diagnose: pulmonale Hypertonie. Eine medikamentöse Therapie wurde eingeleitet und mir ging es schnell besser. Meine Behandlung beinhaltet heute eine Kombinationstherapie plus Langzeit-Sauerstofftherapie.

Wie sieht Ihr Alltag nun aus, da Sie in Behandlung sind?

Ich bin froh, dass ich weiß, was ich habe. Dennoch ist mein Leben nicht mehr das, was es mal war. Vieles, was ich mir für mein Leben gewünscht habe, ist einfach nicht mehr möglich. Den Kinderwunsch loszulassen, war besonders schwer und schmerzt bis heute. Lange habe ich versucht, mich ins Arbeitsleben zurück zu kämpfen, bis ich einsehen musste, dass ich damit meiner Gesundheit eher schade – somit bin ich heute berentet. Was mich lange sehr belastet hat, waren die Blicke der anderen Menschen. Eine junge Frau mit Sauerstoffgerät, dafür scheinen viele kein Verständnis zu haben. Auch viele Freunde und Bekannte haben sich von uns abgewandt. Ich habe lange gebraucht, um das zu akzeptieren. 2016 habe ich angefangen, einen Blog im Internet zu schreiben. Ich habe mir dabei all die vielen Fragen, auf die ich keine Antworten erhalten habe, alles, was mich bedrückte, richtiggehend von der Seele geschrieben. Ich erfahre durch den Austausch mit anderen Betroffenen, dass ich mit meinem Blog genau das zum Ausdruck bringe, was andere gleichermaßen empfinden, selbst aber nicht wagen, auszusprechen. Durch den Blog hat sich eine neue Aufgabe entwickelt, ein neuer Sinn ist entstanden, der mich glücklich macht.

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