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„Für uns ist das Kinderhospiz eine Art zweites zu Hause geworden.“

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Foto: Chinnapong/Shutterstock

Felix leidet an einer seltenen lysosomalen Speicherkrankheit. Die ersten Anzeichen dafür gab es bereits im zweiten Kindergartenjahr, als Felix vier Jahre alt war. Zunächst wurde angenommen, dass es sich „nur“ um starke Bewegungsstörungen handelt und er kam in eine darauf spezialisierte Kita.

Erst als Felix sechs Jahre alt ist, erhalten seine Eltern die richtige Diagnose: Tay-Sachs-Syndrom, juvenile Form. Mittlerweile ist Felix zehn Jahre alt und verbringt mehrmals im Jahr Zeit in einem Kinderhospiz.

„Viele denken bei dem Wort Hospiz immer gleich an den direkten Tod“, sagt Felix´ Mutter Stefanie und fügt mit einem leichten Lächeln hinzu: „Für uns ist das Kinderhospiz eine Art zweites zu Hause geworden.“

Die Arbeit in Kinderhospizen unterscheidet sich von der Arbeit in Erwachsenenhospizen in einem wesentlichen Punkt: Erwachsene in einem Hospiz werden explizit in der finalen, letzten Lebensphase begleitet. Kinderhospizarbeit hingegen ist ein unterstützendes Angebot für die gesamte Familie von kranken Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsene, die an einer lebensbegrenzenden Krankheit leiden. Dieses Angebot erstreckt sich oftmals vom Zeitpunkt der Diagnose, über viele Jahre bis hin zum Tod.

Regelmäßige Tagesabläufe geben Kindern Halt

Felix  kommt zwei Jahre nach der Diagnose das erste Mal in das stationäre Kinderhospiz. Als Mutter Stefanie ihren Sohn das erste Mal hierher bringt, kann sie kaum glauben, dass sie auch mal wieder Zeit für sich hat, um zu lesen, schwimmen zu gehen oder auch mit ihrem Mann Zeit zu zweit  zu verbringen.

Eltern müssen sich immer wieder mit dem Thema Sterben und Tod auseinandersetzen.

In dieser Zeit kümmert sich das Pflegepersonal im Kinderhospiz um Felix. „Besonders wichtig für die Kinder ist eine klare Struktur und die Sicherheit im Tagesablauf. Das gibt den Kindern Halt“, erklärt Schwester Melanie.  

Kinder sind abhängig von ihrer Familie beziehungsweise von ihren vertrauten Bezugspersonen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die stabile familiäre Situation und die häusliche Versorgung weiterhin gewährleistet werden. Deshalb wird im Vorfeld gemeinsam mit der Familie die Situation der häuslichen Umgebung geklärt und darauf basierend werden Möglichkeiten der Unterstützung und Entlastung evaluiert.  

„Ich möchte die Kinder natürlich dort abholen, wo sie sich gerade in ihrem Alltag befinden. Denn das ist es, was ihnen gut tut.“ Besonders nach langem Sitzen im Rollstuhl tut es Felix gut mit dem Bewegungstrainer zu arbeiten. Bei Kindern mit schweren Erkrankungen ist es schwieriger eine Einschätzung über die Lebenserwartung zu geben, da die Verläufe zwischen Stabilisierung und Destabilisierung sich über große Zeiträume ausdehnen können. Schwester Melanie erinnert sich, dass Felix bei seinem ersten Besuch noch alle Räume erkundet hat. Mittlerweile ist Felix dauerhaft an den Rollstuhl angewiesen.

„Man wächst in die Situation hinein.“

„Das Kinderhospiz ist ein Ort zum Lachen, aber auch des Sterbens und des Abschiednehmens. Anfangs wussten wir nicht, wie wir mit der Diagnose umgehen sollten. Es fällt schwer über das Sterben und den Tod zu sprechen, gerade, wenn es um Kinder geht“, erzählt Stefanie weiter. „Wenn es das eigene Kind betrifft ist es noch härter. Aber im Kinderhospiz haben wir Raum und Möglichkeit gefunden das Unwiderrufliche zu begreifen und die Tatsache, dass unser Sohn sterben wird,
anzunehmen.“   

Eltern müssen sich immer wieder mit dem Thema Sterben und Tod auseinandersetzen. Oftmals stehen sie kritischen Situationen gegenüber, in denen der Abschied ganz nah scheint und aus denen heraus sich das Kind plötzlich wieder erholt. Das führt zu einem emotionalen Konflikt, dem Eltern zumeist über einen längeren Zeitraum ausgesetzt sind.

Die Krankheit hat vieles im Leben der Familie verändert. Stefanie hat ihren Beruf aufgegeben, um sich um die Pflege ihres Sohnes zu kümmern. Zusätzlich zu den stationären Aufenthalten wird sie seit einiger Zeit auch von einem ambulanten Kinderhospiz unterstützt, da die Entwicklung von Felix von Jahr zu Jahr schlechter wird – körperlich und geistig.

Stefanie weiß, dass ihr Sohn irgendwann wahrscheinlich nicht mehr schlucken kann und mit Hilfe einer Sonde ernährt werden muss. Dies hat aber nichts mit heute zu tun, denn Stefanie hat gelernt im Augenblick zu leben: „Man wächst mit der Zeit in die Situation hinein und nimmt jeden Tag, wie er kommt.“

Autor: Elke Schoppe

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