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Die Ursache vieler seltener Erkrankungen liegt im Erbgut der Betroffenen. Mit konventionellen Behandlungsmethoden lassen sich häufig nur die Symptome therapieren. Das Prinzip der RNA-Interferenz ermöglicht einen neuen Ansatz, mit dessen Hilfe sich die Aktivität einzelner Gene gezielt regulieren lässt. So können auch genetisch bedingte Erkrankungen ursächlich behandelt werden – ohne dabei das Erbgut zu verändern.

Im vergangenen Jahr hat die breite Öffentlichkeit erstmals Notiz genommen von einer neuen Klasse von Impfstoffen auf Basis von Boten-RNA (Messenger-RNA, mRNA). Durch das Einbringen dieser mRNA werden die Zellen dazu gebracht, ein bestimmtes Virus-Protein zu produzieren, wogegen das Immunsystem dann Antikörper bildet. mRNA gibt es in jeder Zelle in Hülle und Fülle. Ihre Funktion ist es, die im Erbgut gespeicherten Informationen an die Ribosomen zu übermitteln, die mittels dieser „Baupläne“ verschiedenste Proteine herstellen. Diese Transportfunktion macht die mRNA zu einem Ziel für neue therapeutische Ansätze.

Viele seltene Erkrankungen gehen zurück auf Mutationen im Erbgut. Dadurch können etwa die „Baupläne“ für wichtige Proteine fehlerhaft sein. Diese „kaputten“ Proteine können zu schweren Komplikationen im Stoffwechsel des Körpers führen, zum Beispiel wenn sie toxisch wirken, wie bei der akuten hepatischen Porphyrie, oder aufgrund ihrer veränderten Struktur Ablagerungen (Amyloid) bilden, die wiederum die Funktionsfähigkeit der Organe beeinträchtigen, zum Beispiel bei der ATTR-Amyloidose.

Eine neue Klasse von Arzneimitteln

Vor gut 20 Jahren entdeckten Wissenschaftler einen natürlichen Mechanismus, mit dem Zellen die Aktivität einzelner Gene steuern können. Dieser Mechanismus wird als RNA-Interferenz (RNAi) bezeichnet. Für ihre Forschungen erhielten die US-Wissenschaftler Andrew Z. Fire und Craig C. Mello im Jahr 2006 den Medizin-Nobelpreis. Die Entdeckung der RNA-Interferenz legte den Grundstein für eine völlig neue Klasse von Arzneimitteln.

Die Grundidee ist simpel. Die Aktivität eines für eine Erkrankung ursächlichen Gens wird einfach herunterreguliert. Das geschieht, indem die Informationsübertragung zwischen dem „defekten“ Gen und den Protein-produzierenden Ribosomen unterbrochen wird. Da der Protein-Bauplan von der mRNA übertragen wird, lässt sich der zelleigene Mechanismus der RNA-Interferenz dahingehend aktivieren, um präzise genau jene mRNA zu zerstören, die den fehlerhaften Bauplan überträgt. Um diesen Prozess einzuleiten, nutzt man eine kurze RNA-Sequenz, die der Zelle mitteilt, welche mRNA abgebaut werden soll. Ein Vorteil der RNA-Interferenz: Im Gegensatz zu einer Gentherapie wird nicht in das Erbgut eingegriffen. Setzt man die Behandlung aus, wird das betreffende Protein wieder hergestellt. Das Gen ist gewissermaßen wieder “aktiv”. Mögliche langfristige Nebenwirkungen, die potenziell bei einer Gentherapie noch Jahre später auftreten können, sind so besser kontrollierbar.

Das Potenzial der RNAi zum Wohle von Patienten weltweit nutzbar machen – mit dieser Vision hat sich 2002 das biopharmazeutische Unternehmen Alnylam in den USA gegründet. Seither hat Alnylam mehr als drei Milliarden US-Dollar in die Entwicklung von RNAi-Therapeutika investiert. Seit 2018 wurden bereits drei RNAi-Therapeutika zur Behandlung seltener, genetisch bedingter Erkrankungen in Europa zugelassen. Weitere sind in Entwicklung.

Perspektivisch lassen sich mit RNAi-Therapeutika nicht nur genetisch bedingte Erkrankungen behandeln, sondern potenziell auch Herz- und Stoffwechselkrankheiten, Infektionskrankheiten und Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Dies ist ein gutes Beispiel, wie von der Forschung an seltenen Erkrankungen mittelfristig auch viele andere Patienten profitieren können.

02.2021 PH1-DEU-00007

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