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Krankheitsbilder

„Ich dachte, das überlebe ich nicht“

Kristina Mayer hat AHP (Akute hepatische Porphyrie)

Kristina Mayer hat einen schweren Leidensweg hinter sich. Sie leidet an akuter hepatischer Porphyrie, einer seltenen erblich bedingten Erkrankung. Zunächst nicht von den Ärzten ernst genommen, verschlimmerte sich ihr Zustand so sehr, dass sie nicht mehr essen oder trinken konnte, starke Lähmungserscheinungen hatte und auf 38kg abmagerte. Einer aufmerksamen jungen Ärztin ist es zu verdanken, dass die richtige Diagnose gestellt werden konnte.

Frau Mayer, sie haben eine Erkrankung, von der die meisten wahrscheinlich noch nie gehört haben: akute hepatische Porphyrie (kurz AHP). Wann haben Sie das erste Mal Beschwerden gehabt und wie sahen diese aus?

Im November 2013. Ich bin von heute auf morgen mit heftigen Schmerzen im Bereich des Oberbauchs aufgewacht. Da die Schmerzen ungewöhnlich stark waren und praktisch ohne Pause durchgehend für fast anderthalb Tage anhielten, war ich in der Sorge, es könne sich vielleicht um einen Darmverschluss handeln, in die Notaufnahme ins Krankenhaus gegangen. Dort wurde ich halbherzig untersucht, im Ultraschall und im Blut war nichts Auffälliges zu sehen, und so wurde ich mit der Diagnose „Magen-Darm-Infekt“ wieder nach Hause geschickt.

Dort bin ich in der Nacht vor Schmerzen vollständig kollabiert und konnte mich kaum noch bewegen, zudem wurde ich zunehmend geistig benommen und konnte kaum noch sprechen. Mit nichts, was ich jemals zuvor erlebt hatte, waren diese Schmerzen zu vergleichen. Ich war mir sicher, die Nacht nicht zu überleben.

Ich habe es dann geschafft, meinen Opa zu bitten, mich erneut ins Krankenhaus zu fahren. Vor Schmerzen konnte ich mich dort praktisch gar nicht mehr artikulieren. Ich wurde dann stationär aufgenommen.

Wie sah Ihr Weg bis zur gesicherten Diagnose aus?

Der Weg zur tatsächliche, gesicherten Porphyrie-Diagnose dauerte beinahe 7 Wochen. Diese verbrachte ich auch komplett im Krankenhaus. Stationär aufgenommen folgten einige weitere Untersuchungen, Magenspiegelung, Darmspiegelung, erneute Blutuntersuchungen. Bis auf einen extrem niedrigen Natriumspiegel im Blut war jedoch nichts Auffälliges zu bemerken.

Die Schmerzen hatten sich mittlerweile so verstärkt, dass ich dauerhaft hochdosiert stärkste Opiate intravenös verabreicht bekam. Essen und Trinken war nicht selbstständig möglich, bzw. vor Schmerzen war an Nahrungsaufnahme nicht zu denken. 20 Kilogramm Gewicht habe ich so in 7 Wochen Krankenhausaufenthalt verloren und wog zum Schluss noch 38 Kilogramm.

Über einen kurzen Zeitraum bekam ich sogar eine Schmerzmittelpumpe, die per Knopfdruck Schmerzmittel direkt in die Nähe des Rückenmarks injizierte. Doch auch das reichte bald nicht mehr aus. Als mögliche Diagnose stand nun eine Dünndarminvagination im Raum, dabei stülpt sich ein Teil des Dünndarms über einen anderen Teil und verursacht durch Minderdurchblutung starke Schmerzen. Ich wurde für die Operation vorbereitet und bekam einen zwanzig Zentimeter großen Bauchschnitt, mit dessen Narbe ich heute noch teilweise zu kämpfen habe. Das Resultat dieser OP war, dass die Ärzte so schlau wie vorher waren. Gefunden wurde rein gar nichts.

Mein Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. Mir fiel in den wenigen wachen Momenten, die ich noch hatte, auf, dass ich meine Arme nicht mehr selbstständig anheben konnte und auch meine Beine sich immer schwieriger bewegen und anheben ließen. Wie eine Lähmung, die sich immer weiter ausbreitet, dachte ich damals. Ernst genommen hat das aber tatsächlich niemand, „ich sei eben schwach, weil ich nicht essen würde“. Irgendwann wurde mein Zustand so schlecht, dass ich phasenweise auf der Intensivstation beatmet werden musste. Zudem raste mein Herz und mein Blutdruck war auf einen systolischen Wert von fast 200 mmHg angestiegen und auch mit Blutdrucksenkern nicht in den Griff zu bekommen. Große Hoffnung, dass ich die nächsten Tage überlebe, hatte wohl keiner mehr. Ich selbst kann mich nur lückenhaft erinnern, die Schmerzmittel haben mich zu sehr benebelt. Die Lähmungen an allen vier Extremitäten waren nun vollständig ausgebildet und konnten auch vom Krankenhauspersonal nicht mehr ignoriert werden. Tetraplegie nennt man das.

Durch absoluten Zufall und Glück kamen an einem Tag auf einmal hektisch Ärzte in mein Zimmer geeilt. Eine junge Ärztin habe wohl im Studium von den akuten Porphyrien gehört und meine Symptome passten wohl exakt zu den Symptomen der akuten Porphyrie. Ich sollte später erfahren, dass ich wohl ein Porphyrie-Patient wie aus dem Lehrbuch war, leider wurden die Symptome von niemanden vorher richtig gedeutet.

Ab diesem Zeitpunkt bekam ich dann 7 Tage hintereinander eine Behandlung mit humanem Hämin, das mir intravenös verabreicht wurde. Dabei kam es zu einer Linderung der starken Schmerzen und Blutdruckentgleisungen, nicht jedoch zu einer Verbesserung der Tetraplegie. Danach verbrachte ich noch ca. 3 Wochen im Krankenhaus, wo die Schmerzmittel langsam ausgeschlichen wurden. Ich war zu diesem Zeitpunkt immer noch bettlägerig. Eine Chance auf Rückgang meiner Lähmungen sahen hinzugezogenen Neurologen nicht.

Es folgten viele schwere Jahre von 2014 bis ca. 2018, in denen ich über 30 Mal stationär mit akuten Schüben im Krankenhaus behandelt wurde. Mir wurde ein Portkatheter gelegt, da durch die Behandlungen meine Venen ganz kaputt waren. Ich bekam einmal wöchentlich ein Medikament als Prophylaxe, was jedoch nur mäßig half. Vor allem in Zeiten großer psychischer Belastungen oder in stressbehafteten Situationen wurden die Schübe besonders häufig und schlimm.

Mit dem Beenden meiner Beziehung im Jahr 2018 und dem Neubeginn einer neuen Beziehung sowie einer beruflichen Veränderung stabilisierte sich meine Situation ein bisschen und ich war „nur“ noch 3 Mal jährlich stationär im Krankenhaus.

Fühlen Sie sich nun medizinisch gut versorgt?

Der wirkliche Wendepunkt in meinem Leben erfolgte Anfang des Jahres 2020, als ich von einem sehr bemühten Labormediziner, der sich immer wieder mit meinen Fragen zu den Porphyrien beschäftigt hatte, die Nachricht erhalten habe, dass es ein neues Medikament auf dem Markt gibt und ich selbst wahrscheinlich bald damit behandelt werden könne.

Dabei handelte es sich um ein Medikament, das als subkutane Injektion im Abstand von 4 Wochen verabreicht werden sollte. So kam es im Rahmen dieser neuen Medikation zu einem Erstkontakt mit dem Porphyriezentrum Chemnitz, wo ich mich sofort so wohl und gut aufgehoben gefühlt habe.

Endlich wurde ich mit all meinen Sorgen, Ängsten und Beschwerden voll und ganz ernst genommen. Das ganze Team arbeitet hervorragend zusammen und beantwortete alle meine Fragen souverän und kompetent. Zudem kann ich auch von zuhause aus jederzeit jemanden erreichen und ich werde häufig kontaktiert, um zu erzählen, wie es mir gerade geht.

Die Behandlung mit dem neuen Medikament ist für mich ein voller Erfolg gewesen: meine Beschwerden haben sich deutlich verbessert, einen starken Schub hatte ich seitdem gar nicht mehr (toi toi toi). Das Tolle ist, dass ich für die Injektionen nicht jedes Mal nach Chemnitz fahren muss, sondern diese auch zuhause in meinem Heimatort bekommen kann.

Meine Lebensqualität hat sich unglaublich verbessert und ich danke dem ganzen Team des Porphyriezentrums Chemnitz von Herzen.

Bei Ihnen zeigt die Erkrankung neben akuten Attacken auch eine chronische Facette. Was genau bedeutet das für Ihr alltägliches Leben?

Seit der Erstgabe von des neuen Medikaments haben sich meine chronischen Probleme wie das dauerhafte Bauchweh und die heftigen Angstzustände sehr stark verbessert. Trotzdem habe ich gelegentlich mit Angstattacken zu kämpfen, besonders dann, wenn ich weiß, dass stressige Phasen auf mich zukommen (z.B. Prüfungsphasen oder ähnliches). Dann ist es sehr schwer, nicht allzu sehr ins sich hineinzuhören und nach Anzeichen von Bauchschmerzen zu „suchen“.

Ich achte zudem sehr auf meine Ernährung, trinke keinen Alkohol, rauche nicht, versuche einen gesunden Schlafrhythmus zu erhalten.

Prinzipiell bin ich ein sehr sportlicher Mensch und liebe es, mich körperlich anzustrengen. Aber auch das muss leider in Maßen erfolgen, um meinen Stoffwechsel nicht zu sehr zu stressen.

Die AHP ist genetisch bedingt. Wie sind Sie in der Familie mit Ihrer Diagnose umgegangen? (Evtl. Familienanamnese und genetische Untersuchung von Familienangehörigen erfolgt?)

Leider hatte meine komplette Familie kein Interesse, sich einer Familienanamnese zu unterziehen. Deshalb möchte ich hierzu auch nichts weiter erzählen.

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