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„Ich versuche, so normal wie möglich zu leben“

Foto: buritora via shutterstock.com

Bei den nicht-dystrophen Myotonien handelt es sich um seltene, genetisch bedingte Erkrankungen mit Funktionsbeeinträchtigungen von muskulären Ionenkanälen. Das charakteristische Symptom ist die Muskelsteifheit, verursacht durch eine Störung der Muskelrelaxation, was die Lebensqualität der Betroffenen negativ beeinflussen kann. Im Interview spricht NDM-Patientin Lilly Stenkamp über ihr Leben mit der Erkrankung.

Lilly Stenkamp

„Ich versuche, meinen Alltag so normal wie möglich zu gestalten.“ 

Frau Stenkamp, Sie sind von einer nicht-dystrophen Myotonie betroffen. Wann traten bei Ihnen erste Beschwerden auf und wie sahen diese aus? 

Von Erzählungen meiner Mutter weiß ich, dass es schon Auffälligkeiten gab, als ich noch ein kleines Kind war. Ich bin öfters beim Laufen oder Rollerfahren gestürzt. Anfangs wurde vermutet, dass ein Bein kürzer sei als das andere. Doch die Beschwerden begleiteten mich weiterhin. In der weiterführenden Schule bin ich zum Beispiel im Sportunterricht einfach hingefallen – mein Bein ließ sich nicht so schnell nachziehen, um den nächsten Schritt zu machen. Dass es sich dabei um eine Muskelsteifheit handelt, verursacht durch eine Störung der Muskelrelaxation, wusste damals niemand. 

Wie lange hat es vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnose gedauert und wer hat letztendlich die Diagnose gestellt?

Da die Muskelerkrankung vererbt wird, habe ich sie seit dem Kindesalter. Nur damals wusste das eben niemand. Ende 2018 war ich wegen meiner Migräne bei einem Neurologen in Behandlung. Nebenbei habe ich ihm das mit den Verkrampfungen erzählt. Er hat mich aufgeklärt, was es sein könnte, und hat anschließend eine Untersuchung durchgeführt. Diese war positiv und ich wurde in die Neurologie ins Krankenhaus zu Prof. Dr. Kley geschickt. Seitdem bin ich bei ihm in Behandlung. Im Oktober 2019 hatten wir den genauen Befund und wussten auch, welches Gen betroffen ist. 

Wie sieht Ihr Alltag mit der Erkrankung aus?

Eigentlich habe ich einen normalen Alltag. Kritisch wird es, wenn mir kalt ist oder ich Stress habe. Beanspruche ich meine Muskeln durch schwere Arbeit oder Sport, dann merke ich, wie ich bei jeder nachfolgenden Bewegung verkrampfe. Ich bin dann schon sehr eingeschränkt, meine Bewegungen werden sehr langsam. Die Anspannung eines Muskels klappt dann zwar problemlos, die Entspannung jedoch nicht. Um meine Faust zu öffnen, brauche ich einige Sekunden länger – auch wenn ich dagegen ankämpfe. Zwei Faktoren, die mich bei meinen Bewegungen stark einschränken, sind Kälte und Adrenalin. Es lässt sich aber natürlich nicht immer vermeiden, in solche Situationen zu kommen.

Wie wird Ihre Erkrankung behandelt?

Ich habe ein Medikament bekommen, das sich positiv auf NDM-Patienten ausgewirkt hat. Andere Behandlungsmethoden gibt es zu dieser Krankheit nicht. Man lebt einfach damit, lernt, sich selbst einzuschätzen, und versucht, Dinge zu vermeiden, die sich negativ auf die Muskeln auswirken. 

Welche zusätzlichen Maßnahmen oder Hilfsmittel helfen Ihnen dabei, die NDM in Schach zu halten? 

Ich versuche, Kälte zu meiden, heize meine Wohnung im Winter stark auf und ziehe mich warm an. Auch versuche ich, Stress zu umgehen, was nicht immer leicht ist. Mein emotionaler Zustand wirkt sich ebenfalls auf die Muskeln aus. Manchmal reicht schon ein Gedanke, der mir Angst macht, und schon merke ich, dass ich verkrampfter in den Muskeln geworden bin. Zudem versuche ich, schwere körperliche Arbeit zu meiden, und gehe Dinge langsamer an, um eine Verkrampfung des beanspruchten Muskels zu vermeiden.

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