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Leben mit ITP

Foto: Phonlamai Photo via Shutterstock

In Deutschland leben derzeit rund 16.000 Patienten mit Immunthrombozytopenie (ITP). Bei dieser Erkrankung erkennt das Abwehrsystem des Körpers die eigenen Blutplättchen (Thrombozyten) fälschlicherweise als Fremdkörper und baut diese vermehrt ab. Im Interview spricht Prof. Dr. Axel Matzdorff, Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin II an der Asklepios Klinik Uckermark, über die seltene Autoimmunerkrankung.

Prof. Dr. Axel Matzdorff

Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin II
an der Asklepios Klinik Uckermark

ITP gehört ja zu den seltenen Erkrankungen: Wie äußert sich die Erkrankung und wie wird sie diagnostiziert? 

Man unterscheidet die ITP bei Erwachsenen und bei Kindern. Kinder haben häufig einen akuteren und schwereren Verlauf, haben häufiger Blutungen. Das Erfreuliche ist, dass 90 Prozent der Kinder spontan ausheilen, die Erkrankung geht nach wenigen Wochen vorbei. Bei den Erwachsenen ist es umgekehrt – rund 90 Prozent entwickeln einen chronischen Verlauf und nur rund zehn Prozent eine spontane Heilung. 

Bei einem Drittel der Patienten treten stecknadelkopfgroße Einblutungen (Petechien) der Haut und Schleimhäute sowie blaue Flecken auf. Schwere Blutungen in den Kopf, die Augen, andere Organe oder dass man eine Transfusion braucht, sind zum Glück selten. Bei zwei Drittel der Patienten ist die ITP eine Zufallsdiagnose, die durch eine Blutuntersuchung beim Arzt auffällt. 

Über welche Belastungen im Alltag berichten Ihre ITP-Patienten am häufigsten?

Neben den genannten Symptomen belasten vor allem Fatigue, eine bleierne Müdigkeit und anhaltende Erschöpfung, und die Angst vor schweren Blutungen die Betroffenen sehr. Hinzu kommen die engmaschigen Kontrollen beim Arzt, die Zeit kosten und gerade für ältere Menschen sehr aufwendig sind. Denn um den Erfolg der ITP-Behandlung beurteilen zu können, müssen die Blutplättchenwerte zu Therapiebeginn besonders engmaschig, d. h. mitunter alle paar Tage kontrolliert werden. Wenn sich die Thrombozytenzahl erholt und stabilisiert hat, können die Kontrollintervalle immer weiter ausgedehnt werden. Dann sind nur noch alle 2–4 Wochen oder gar Monate ein Arztbesuch und eine Überprüfung der Blutplättchenzahl notwendig.

Welche Therapieoptionen gibt es, und können Patienten mit der passenden Therapie wieder ein „normales“ Leben führen?

Ein weitestgehend normales Leben ist möglich, wenn die Therapie bei Betroffenen anschlägt, was zum Glück zu 90 Prozent der Fall ist. Nach der Diagnose der ITP erfolgt die Behandlung in aufeinanderfolgenden Schritten. 

1. Erstlinientherapie

Patienten werden standardmäßig mit Kortikosteroiden (Nichtmediziner sagen häufig „Kortison“) in hoher Dosierung behandelt. Bei Bedarf kommen zusätzlich Immunglobuline und Thrombozytenkonzentrate zum Einsatz.

2. Zweitlinientherapie

Wenn mit der Erstlinientherapie keine ausreichende oder anhaltende Steigerung der Blutplättchenzahl erreicht wird oder die Mittel vom Patienten schlecht vertragen werden, kann der Einsatz von Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten oder eines für die ITP zugelassenen neuen Milz-Tyrosinkinase-Hemmers ins Auge gefasst werden. Auch die Entfernung der Milz (Splenektomie) stellt eine Therapieoption dar, wird heute aber nur noch selten angeboten.

3. Drittlinientherapie

Sprechen behandlungsbedürftige Patienten auch auf die Zweitlinientherapie nicht an oder erleiden sie immer wieder einen Rückfall, dann kann auf verschiedene Medikamente, sogenannte Immunsuppressiva, zurückgegriffen werden, die normalerweise in der Transplantations- oder Krebsmedizin eingesetzt werden, um das körpereigene Abwehrsystem zu unterdrücken. Ziel ist auch hier, die Bildung von Autoantikörpern und somit den übermäßigen Blutplättchenabbau zu verhindern. In den späteren Therapielinien ist die Milzentfernung eine häufigere Therapieoption.

Warum ist es so wichtig, dass ITP-Patienten ihre Erkrankung kennen und sich mit dem Arzt austauschen können?

Die ITP ist eine seltene Erkrankung und der Arzt sieht in seiner Praxis viele andere Erkrankungen, die häufiger sind und mit denen er sich logischerweise besser auskennt. Mit einer seltenen Erkrankung auf dem Laufenden zu bleiben, ist schon schwierig. Der ITP-Patient, der den ganzen Tag mit seiner Erkrankung konfrontiert ist, weiß schon innerhalb kürzester Zeit sehr viel darüber – manchmal sogar mehr als der Arzt. Das liegt daran, dass sich Betroffene viel mehr damit auseinandersetzen und informieren. Sie sind in Selbsthilfegruppen, tauschen sich mit anderen aus, wissen, wo Experten sitzen, holen sich Zweitmeinungen ein. Das ist sehr wichtig und trägt sehr positiv zur Arzt-Patienten-Kommunikation bei. 

Am 25.09. findet der erste nationale ITP-Patiententag als virtuelle Veranstaltung im Internet statt und Prof. Matzdorff hofft, dass noch viele weitere folgen – denn Aufklärung ist das A und O, bei jeder seltenen Erkrankung. 

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