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„Meine Kinder sind ein Geschenk“

Mukoviszidose
Mukoviszidose

Helen liebt Glitzer und Pink. Ihr kleiner Bruder Hannes ist ein Charmeur und bringt jeden zum Lachen. Beide Kinder sind verspielt, lebensfroh und schwer krank. Sie leiden unter der seltenenen Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose. Ihre Mutter Silvia gibt uns einen Einblick in ihren Alltag.

Silvia, Sie sind Mutter von gleich zwei Kindern, die von Mukoviszidose betroffen sind. Wie wurde die Krankheit bei Helen festgestellt?

Bei meiner Großen wurde die Erkrankung diagnostiziert, als sie neun Monate alt war.

Welche Symptome zeigten sich?

Helen hatte Wassereinlagerungen, hustete beinahe dauerhaft und konnte sich plötzlich nicht mehr so drehen und wenden, wie sie es vorher konnte. Der Kinderarzt war mit seinem Latein am Ende und bat uns, ins Krankenhaus zu gehen.

Was ging in diesem Moment in Ihnen vor?

Ich war mit der Situation überfordert und habe mir natürlich auch Vorwürfe gemacht, dass ich nicht bemerkt habe, wie schlecht es ihr geht. Es war ein schleichender Prozess, und wenn man sein Kind jeden Tag sieht, realisiert man das nicht. Wenn ich mir heute Fotos von damals anschaue, ist das ganz schlimm für mich, weil man sieht, dass sie sehr krank ist.

Wie hat die Familie reagiert?

Meine Mutter hat Helen am Tag vor der Krankenhauseinweisung gesehen und mir im Nachhinein erzählt, dass sie nicht gedacht hätte, Helen noch einmal lebend wiederzusehen.

Im Krankenhaus ging es dann aber bergauf.

Wir hatten das große Glück, an Ärzte zu geraten, die sehr schnell den Verdacht auf Mukoviszidose hatten und sofort Maßnahmen eingeleitet haben.

Welche waren das?

Es wurde ein Schweißtest gemacht und eine ausführliche Anamnese, bei der mir jedoch leider Vorwürfe gemacht wurden, die mich sehr verletzt haben.

Was genau ist vorgefallen?

Wie mir nicht aufgefallen sein kann, dass mein Kind vermehrten Stuhlgang mit verändertem Geruch hat. Doch woher sollte ich das wissen? Helen war mein erstes Kind, ich habe sie voll gestillt, sie wuchs, nahm zu und alles schien mir ganz normal und wunderbar.

Vorwürfe sind wirklich das Letzte, was Eltern in solch einer Situation brauchen.

Trotz allem fühlten wir uns gut aufgehoben, auch weil bereits nach zwei Wochen der Anfangsverdacht bestätigt wurde. Von nun an hieß es, mit der Krankheit leben zu lernen. Wir hatten das Glück, einen ganz tollen Kinderarzt bekommen zu haben, der auf Mukoviszidose spezialisiert ist. Wir wurden von dem Praxis-team aufgefangen, von der Physiotherapeutin und anderen betroffenen Eltern. In so einer Situation braucht man nicht nur den familiären Halt, sondern auch den von außen.

Wann stellte sich wieder ein normaler Familienalltag ein?

Das ging alles recht schnell. Anfangs hatte ich meine Elternzeit auf drei Jahre verlängert, weil ich nicht wusste, was noch alles auf uns zukommt. Wir haben uns jedoch schnell an die neue Situation gewöhnt, Helen ging es super und ich bin ein halbes Jahr nach der Diagnose wieder arbeiten gegangen.

War nach der Diagnose von Helen der Gedanke da, die Familienplanung direkt abzuhaken?

Die Kinderplanung war nicht abgeschlossen. Wir haben uns informiert und die Wahrscheinlichkeit, dass wir wieder ein Kind mit Mukoviszidose bekommen, war eins zu vier. Wir konnten uns einfach nicht vorstellen, dass es uns noch einmal trifft – und ich wurde wieder schwanger.

Wie verliefen Schwangerschaft und Geburt?

Die Schwangerschaft verlief vollkommen reibungslos, Hannes kam zwei Tage vor dem errechneten Geburtstermin zur Welt. Doch dann nahm das Drama seinen Lauf.

Was ist passiert?

Hannes begann Galle zu spucken und lag wenige Stunden später unterm Messer. Eigentlich sollten wir an diesem Tag entlassen werden. Wären wir bereits zu Hause gewesen, hätte Hannes nicht überlebt, weil der Darm bereits geplatzt war. Die Not-OP hat ihm das Leben gerettet. Nach schier endlosen sechs Wochen durften wir dann endlich das Krankenhaus verlassen.

Wie geht es Hannes heute?

Glücklicherweise gab es seit Hannes‘ schwierigem Start ins Leben keine Komplikationen mehr. Beide Kinder mussten nicht mehr als Notfall ins Krankenhaus.

Wie sieht Ihr Familienalltag aus?

Es gibt immer wieder Aufs und Abs. Hannes ist sehr stabil, aber Helen hat doch ab und zu Probleme. Unser Alltag ist ziemlich durchgetaktet: Wir stehen auf, die Kinder inhalieren, machen Atemübungen und Sport. Das dauert jeden Morgen 45 Minuten und es ist natürlich nicht immer leicht, sie zu überreden. Aber damit sie so fit bleiben, wie sie es gerade sind, muss das sein. Ich bin da sehr konsequent. Dennoch fühlen beide Kinder sich normal und nicht anders als andere Kinder.

Fühlen Sie sich medizinisch gut versorgt?

Sehr. Wir haben den Vorteil, dass wir zwei gute Kliniken in der Umgebung haben. Hinzu kommt die Mukoviszidoseambulanz von unserem Kinderarzt. Ich weiß von anderen Familien, dass sie sehr lange fahren müssen oder sogar umgezogen sind, um besser medizinisch versorgt zu sein. Dass uns das erspart bleibt, dafür bin ich sehr dankbar.

Was möchten Sie Eltern mitgeben, die ebenfalls betroffen sind?

Lasst euch nicht von der Krankheit diktieren und lebt euer Leben – verreist, habt Spaß und lasst die Krankheit auch mal hinter euch!

Familienleben mit Mukoviszidose

Was bedeutet es, mit Mukoviszidose zu leben? Wie bewältigen Familien den Alltag mit Kindern, die an der Erkrankung leiden? Woher kommt die Kraft, der Krankheit tagtäglich erneut den Kampf anzusagen?

Marc Kamps, dessen Sohn Nalu an Mukoviszidose leidet, hat mit dem Fotografen Andreas Muhme genau das facettenreich eingefangen und sechs betroffene Familien begleitet. Auf der Projektwebsite kann man die eindrucksvollen Bilder schon jetzt sehen, die in naher Zukunft als Bildband erscheinen und zusätzlich auf einer kleinen Ausstellungstour in vier deutschen Großstädten zu sehen sein sollen.
Denn auch wenn die Diagnose CF alles auf den Kopf stellt, ist das Leben trotzdem weiterhin bunt, abenteuerlich, spannend, wenn auch natürlich anstrengende und kräftezehrende Zeiten nicht ausbleiben.

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