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Morbus Fabry und Morbus Pompe – „Die Lebensqualität der Betroffenen steht immer im Vordergrund“

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Morbus Fabry und Morbus Pompe zählen zu den lysosomalen Speichererkrankungen, einer Gruppe von seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen. Werden die Erkrankungen nicht behandelt, schreiten sie unaufhaltsam fort und beeinträchtigen das Leben Betroffener stark. Wir sprachen mit Dr. Christina Lampe über die Wichtigkeit einer frühen Diagnose und die derzeitigen Therapieoptionen.

Dr. med. Christina Lampe

Oberärztin am Zentrum für seltene Erkrankungen Gießen (ZSEGI)

Abteilung Kinderneurologie, Sozialpädiatrie und Epileptologie, Zentrum Kinderheilkunde und Jugendmedizin (Univ.-Klinikum Giessen / Marburg; Standort Giessen)

Foto: UK Giessen

Die Familienanamnese ist deshalb so wichtig, da die beiden Erkrankungen ererbt sind, das heißt, die Genveränderung liegt in der Familie.

Frau Dr. Lampe, Morbus Fabry und Morbus Pompe sind seltene Stoffwechselerkrankungen. Was passiert dabei im Körper Betroffener?

Die Erkrankungen äußern sich sehr unterschiedlich: Morbus Pompe ist eine Muskelerkrankung, Morbus Fabry betrifft das Herz, die Niere und das Nervensystem. Sie gehören aber beide zu den lysosomalen Speichererkrankungen. Das Grundprinzip ist so: Durch eine Genveränderung wird ein Enzym nicht korrekt gebildet. Enzyme benötigt man, damit in den Zellen der Organe Abfallstoffe (die nun mal bei der Zellerneuerung anfallen) zerkleinert und ausgeschieden werden können. Fehlt das entsprechende Enzym oder wird es nur unzureichend gebildet, verbleiben die Abfallprodukte in den Zellen und stören die Funktion der Organe. Je mehr Abfallprodukt abgelagert wird, desto schwerer die Erkrankung oder anders gesagt, je weniger Enzym im Körper vorhanden ist, desto schwerer ist der Patient betroffen.

Die Genveränderungen sind meist ererbt. Man erbt immer ein Gen vom Vater und eins von der Mutter. Bei den meisten seltenen Erkrankungen benötigt man 2 kranke Gene, um krank zu sein, so bei Morbus Pompe. Hat man nur ein krankes Gen, ist man Träger der Erkrankung, ist aber gesund. Bei Morbus Fabry ist das anders: Die Genveränderung liegt auf dem weiblichen Geschlechtschromosom, dem X-Chromosom. Männer tragen ein X- und ein Y-Chromosom, Frauen zwei X-Chromosomen. Daher können Frauen manchmal etwas weniger betroffen sein, da das gesunde X-Chromosom ausgleichen kann.

Wie sehen die Symptome eines Morbus Fabry aus und wann zeigen sie sich typischerweise?

Die Symptome können von Patient zu Patient unterschiedlich sein, nicht jeder Betroffene zeigt alle Symptome. In der Kindheit stehen die brennenden Schmerzen in Händen und Füßen, eine verminderte Fähigkeit zu schwitzen, Bauchschmerzen und Durchfall sowie unerklärbare Fieberschübe im Vordergrund, im Jugendalter kommen ein Tinnitus, ein Hörsturz, Schwindel, eine verminderte Leistungsfähigkeit, Müdigkeit und kleine rote Pünktchen im Bereich des Nabels, der Leisten oder im Gesäßbereich hinzu (Angiokeratome). Auch eine Augenveränderung, die sogenannte Cornea verticillata, kann auftreten. Im Erwachsenenalter können die brennenden Schmerzen weniger werden. Neben den genannten Symptomen kann es nun zu Nierenfunktionsstörungen, Auffälligkeiten am Herzen wie eine Linksherzvergrößerung, Herzinfarkt oder Schlaganfall vor dem 55. Lebensjahr kommen. Die Patienten berichten z. B. über Kälte und/oder Hitzeunverträglichkeit, Atemnot bei Belastung, Abnahme der Belastungsfähigkeit, Abgeschlagenheit/Fatigue.

Welche Symptome sind für Morbus Pompe typisch?

Grundsätzlich muss man 2 Formen des Morbus Pompe unterscheiden: die infantile (kindliche) Form, auch IOPD genannt und die jugendliche oder erwachsene (spät einsetzende, late onset) Form, die LOPD. Eine IOPD fällt schon im Säuglingsalter auf. Typisch sind eine Trinkschwäche mit frühzeitiger Erschöpfung und starkem Schwitzen, eine Kopfhalte- und stammbetonte Muskelschwäche, eine Entwicklungsverzögerung und Gedeihstörung sowie eine Ateminsuffizienz. Die betroffenen Kinder haben eine massive Herzvergrößerung und Herzinsuffizienz. Das sind Kinder, die keine Körperspannung haben, sich kaum bewegen und schlapp wirken. Unbehandelt sterben die betroffenen Kinder meist im ersten Lebensjahr.

Bei der juvenilen und erwachsenen Form fehlt die Herzbeteiligung. Betroffene Kinder fallen häufig hin, machen unsichere Bewegungen beim Klettern und Spielen, haben Schwierigkeiten beim schnellen Laufen und Treppensteigen. Auch scheint der Gang watschelnd, das Aufstehen vom Boden bereitet ihnen Probleme, es sind „Sport-Bewegungsmuffel“. Hinzu können feinmotorische Probleme wie Schwierigkeiten beim Schuhe binden, Ausmalen oder Rucksackpacken kommen. Sie haben eine Entwicklungsstörung. Zudem können sie Schwierigkeiten beim Atmen oder eine Atemnot im Liegen haben, über morgendlichen Kopfschmerz oder Müdigkeit bzw. Antriebslosigkeit klagen. Die Nackenmuskulatur ist schwach ausgebildet, viele Kinder haben eine Skoliose. Bei betroffenen Erwachsenen fällt ein wiegender Gang auf, sie haben Probleme beim Treppensteigen, beim Aufstehen aus dem Liegen oder aus der Hocke und Schwierigkeiten beim Anheben von Lasten. Hinzu kommen ein morgendlicher Kopfschmerz, Tagesschläfrigkeit, Atemnot bei Belastung und beim Liegen und eine allgemeine Schwäche.

Wie lange dauert es durchschnittlich, bis eine Diagnose gestellt wird?

Bei Morbus Fabry geht man von etwa 16 Jahren bei Frauen und 14 Jahren bei Männern zwischen Symptombeginn und Diagnose aus. Bei Morbus Pompe hängt es von der Verlaufsform ab. Bei der schweren infantilen Form (IOPD) sind es etwa 6 Monate, bei der später einsetzenden Form, der late Onset Form (LOPD) etwa 12 Jahre. In manchen Ländern gibt es für Fabry und Pompe ein Neugeborenenscreening, in Deutschland ist das leider noch nicht der Fall. Die Herausforderung für Ärzte ist daher, die Symptome richtig in Zusammenhang zu bringen, um den Erkrankungen auf die Spur zu kommen.

Warum ist eine möglichst frühe Diagnose so wichtig und welche Rolle spielt die Familienanamnese bei erblich bedingten Erkrankungen wie Morbus Fabry und Morbus Pompe?

Da es sich um chronisch fortschreitende Erkrankungen handelt, bedeutet eine möglichst frühe Diagnose und Behandlung, dass potenziell weniger Gewebe oder gar Organe unwiderruflich geschädigt werden. Man kann also therapeutisch eingreifen, bevor schwere Organschäden entstehen. Zwar gibt es noch keine Therapien, die die Erkrankungen heilen, aber man kann das Fortschreiten der Erkrankungen verlangsamen oder manchmal auch für eine Zeit stoppen. Das wirkt sich natürlich positiv auf die Lebensqualität der Betroffenen aus.

Die Familienanamnese ist deshalb so wichtig, da die beiden Erkrankungen ererbt sind, das heißt, die Genveränderung liegt in der Familie. Mit einer Stammbaumanalyse kann man somit weitere Betroffene herausfinden, bevor sie Krankheitssymptome haben, diese noch nicht bemerkt haben oder auch Symptome haben, deren Ursache bislang noch nicht gefunden wurde.

Sowohl für Morbus Fabry als auch für Morbus Pompe stehen glücklicherweise gut wirksame Behandlungsoptionen zur Verfügung. Können Sie uns erklären, wie diese wirken und wie sie sich auf die Lebensqualität Betroffener auswirken können?

Es gibt derzeit 2 Enzymersatztherapien und eine Kombinationstherapie (Enzymersatztherapie in Kombination mit einer oral einzunehmenden Kapsel) bei Morbus Pompe und 3 Enzymersatztherapien sowie eine Chaperontherapie bei Morbus Fabry. Bei der Enzymersatztherapie wird das fehlende Enzym künstlich hergestellt und als Infusion über die Vene verabreicht. Damit wird das Enzym, welches vom Köper nicht ausreichend oder gar nicht gebildet wird, ersetzt. So können zwar bereits entstandene Schäden nicht rückgängig gemacht werden, aber es können weitere Schäden verhindert werden. So ist eine Verlangsamung des Fortschreitens der Erkrankung, manchmal sogar ein Aufhalten möglich. Bei Morbus Fabry gibt es auch eine orale Therapie, eine sogenannte Chaperontherapie. Sie kann aber nur bei bestimmten Genveränderungen angewendet werden, nämlich solchen, die zu einer gestörten Faltung des Enzyms führen. Hier kann durch die Chaperontherapie die Struktur des Enzyms wieder hergestellt werden, damit es wirken kann. Diese Kapsel wird alle 2 Tage eingenommen. Bei allen Therapien handelt es sich um lebenslange Therapien.

Neuere Therapieansätze sind beispielsweise Gentherapien. Hierbei wird das Erbmaterial so verändert, dass es selbständig das entsprechende Enzym produzieren kann. Aber diese Therapieansätze sind noch in klinischer Erprobung. Neben der Verhinderung weiterer Schäden durch ein Fortschreiten der Erkrankung und weiteren Symptomen steht natürlich die Lebensqualität der Betroffenen im Vordergrund. Viele Patienten berichten, dass sie sich besser fühlen, mehr Energie und Ausdauer haben, aktiver am sozialen Leben teilnehmen können. Und das ist ja das Ziel.

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