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Krankheitsbilder

Muskelschwäche, Müdigkeit, Atemprobleme- Die lysosomale Speicherkrankheit Morbus Pompe

Die internationale Patientengruppe Morbus Pompe (IPA) hat sich das Faultier als Maskottchen ausgesucht. (Foto: Lukas Kovarik via Shutterstock)

Morbus Pompe ist eine seltene Erbkrankheit, die in vielen Fällen mit einer ausgeprägten Muskelschwäche einhergeht. Über die Ursachen der Erkrankung, die Herausforderungen bei der Diagnosestellung und die derzeitigen Behandlungsoptionen sprachen wir mit Prof. Dr. med. Benedikt Schoser.

Prof. Dr. med. Benedikt Schoser

Oberarzt Friedrich-Baur-Institut an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des LMU Klinikums München

Morbus Pompe ist eine sehr seltene Erkrankung, in Deutschland leben schätzungsweise nur 300 bis 500 Betroffene. Wo liegt die Ursache für die Erkrankung?

Der Morbus Pompe ist eine autosomal-rezessiv vererbte, langsam fortschreitende Stoffwechsel- und Muskelerkrankung, die zu den lysosomalen Speichererkrankungen gehört. Die Häufigkeit (Prävalenz) liegt bei einem pro 40.000 bis 200.000 Menschen. 

Der Gendefekt beim Morbus Pompe betrifft ein bestimmtes Enzym, die saure a-1,4-Glukosidase (GAA). Dieses Enzym steuert den Abbau von Glykogen in den Lysosomen. Die Lysosomen sind dafür zuständig, bestimmte Substanzen weiterzuverarbeiten oder abzubauen, wozu sie Enzyme wie GAA benötigen. Ganz vereinfacht könnte man sich das Enzym GAA als Teil einer zellulären Wiederaufarbeitung für Glykogen innerhalb der Lysosomen vorstellen. Durch die eingeschränkte oder fehlende Aktivität der GAA bei Menschen mit einem Morbus Pompe sammelt sich das Glykogen am Anfang in den Lysosomen, später in den gesamten Zellen der Muskelfasern, da die zelluläre Wiederauf-arbeitung nur eingeschränkt oder gar nicht funktioniert. Eine massive Ansammlung von Glykogen führt zu Zellschäden in den betroffenen Organen und zum Beispiel in der Muskelfaser wird der sogenannte molekulare Motor geschädigt, sodass es dann unter anderem zu einer Muskelschwäche und zum Muskelabbau kommt.

Wie äußert sich der Morbus Pompe und was bedeutet die Erkrankung für den Alltag Betroffener?

Glykogen ist der wichtige Speicherzucker und Energielieferant unter anderem für die Muskulatur, aber beispielsweise auch für Herz- und Nervenzellen. Ist dieser Energielieferant unzureichend oder nicht vorhanden, kommt es zu den für Morbus Pompe so typischen Symptomen. 

Bei erwachsenen Patienten mit Morbus Pompe ist die rumpfnahe Muskulatur geschwächt. Diese sogenannte Gliedergürtelschwäche ist im Bereich der Beckenmuskulatur besonders ausgeprägt. Typisch für den Morbus Pompe ist beispielsweise das sogenannte Trendelenburg-Zeichen: Dem Patienten kippt das Becken beim Gehen nach beiden Seiten ab, er hat einen Schaukelgang. Viele beklagen aber auch Muskelschmerzen in Ruhe und unter Belastung, insbesondere im Bereich der Rückenmuskulatur, weil neben der muskulären Schwäche auch Skelettveränderungen wie eine Skoliose (Verkrümmung des Rückgrats) auftreten können. Zudem haben viele Betroffene eine eingeschränkte Herzleistung und klagen über Müdigkeit und eine Belastungsinsuffizienz. Bei einigen Patienten ist auch das Zwerchfell betroffen, sodass Patienten besonders im Liegen und beim Treppensteigen Probleme mit der Atmung haben. Dies führt bei vielen Patienten ohne Therapie zur progressiven allgemeinen Muskelschwäche bis hin zur Rollstuhlpflichtigkeit und einer maschinellen 24-StundenBeatmungspflichtigkeit.

Bei Babys, die mit einem Morbus Pompe geboren werden, ist die Symptomatik direkt sehr ausgeprägt, da sie als sogenannte „Floppy Babys“ direkt auffällig werden. Das heißt, sie sind sehr schwach, können kaum die Arme und den Kopf halten. Zudem haben betroffene Babys eine Herzmuskelvergrößerung und eine Atemschwäche, was unbehandelt zum frühen Tod im ersten Lebensjahr führt. 

Die internationale Patientengruppe Morbus Pompe (IPA) hat sich das Faultier als Maskottchen ausgesucht. Das sagt vieles über die Eigenwahrnehmung der Patienten aus, die sich aufgrund ihrer muskulären Schwäche und ihrer fehlenden Leistungsfähigkeit als schwerfällig und „faul“ ansehen, da sie für alle Bewegungen einfach wesentlich länger brauchen. Das betrifft Alltagsaktivitäten wie das Aufstehen, Duschen, Haarekämmen. Aber auch das Laufen auf der Ebene, Treppauf- und Treppabgehen, Aufstehen vom Stuhl dauert lange. Entgegen der eigenen Wahrnehmung vieler Betroffener handelt es sich aber keinesfalls um Faulheit, sondern schlicht und einfach um die so charakteristische muskuläre Schwäche aufgrund dieser Erkrankung. Bei allen Patienten ist die soziale Partizipation und Lebensqualität also deutlich eingeschränkt, unbehandelt ist auch die Lebenserwartung oft verkürzt.

Was sind die Herausforderungen bei der Diagnosestellung? 

Die kleinsten Patienten sind durch die beschriebenen Symptome tatsächlich sofort auffällig. Von daher sind diese kleinen Patienten sofort unter maximaler Aufmerksamkeit und bekommen in der Regel direkt auch die notwendige schnelle medizinische Versorgung.

Bei Betroffenen, die später Krankheitsanzeichen zeigen, ist das anders. Es dauert zwar nicht mehr 15 Jahre oder länger, bis eine Diagnose gestellt wird. Aber erwachsene Patienten müssen meist immer noch mehrere Jahre warten, bis sie eine Diagnose bekommen (sog. Patientenodyssee). Oft sind die ersten Krankheitszeichen unspezifisch und vieldeutig, daher verzögert sich die Diagnosestellung und damit auch der Start der spezifischen Therapie. Es ist eine seltene Erkrankung und auch viele Ärzte haben sie nie in ihrem Leben gesehen oder wahrgenommen, geschweige denn diagnostiziert.

Was man mittlerweile aber in jedem Fall bei Patienten, die eine muskuläre Schwäche aufweisen, machen sollte, ist ein sogenannter Enzymaktivitäts-Trockenbluttest. Damit kann man die Enzymaktivität aus getrocknetem Blut bestimmen und recht schnell eine Aussage treffen, ob es ein Morbus Pompe sein könnte oder nicht. Dieser Trockenbluttest hat die diagnostischen Möglichkeiten sehr vereinfacht. 

Wie sehen die derzeitigen Therapieoptionen aus, und können Betroffene unter Therapie ein weitestgehend normales Leben führen?

Es gibt bisher keine Möglichkeit, Morbus Pompe zu heilen, aber es gibt seit 15 Jahren eine zugelassene Enzymersatztherapie mit humaner rekombinanter alpha-Glukosidase. Betroffenen kann also das fehlende Enzym über ein Medikament zugeführt werden, damit das Glykogen abgebaut werden kann und die Beschwerden entsprechend gemindert werden können. Diese alle 14 Tage als Infusion zu verabreichende Therapie hat bei vielen Patienten eine Verbesserung des körperlichen Zustands und der Atmung bewirkt. Das bedeutet, dass eine gewisse Verbesserung der Lebensqualität erzielt werden kann. Zudem muss man auch sagen, dass Betroffene früher, als es noch keine medikamentöse Therapie gab, oft verfrüht an den Folgen der Erkrankung verstorben sind. Wir können also durch den Einsatz dieses Medikaments einiges an Verbesserungen erzielen, aber hier gibt es durchaus noch viel Luft nach oben.  

Haben Sie die Hoffnung, dass die Erkrankung irgendwann heilbar sein wird? 

Aktuell werden in zwei großen Phase-3-Studien neue Enzyme klinisch geprüft, um eine weitere Verbesserung der Therapie zu erzielen. Zusätzlich sind unterschiedliche Ansätze der Gentherapie in erster Erprobung. Auf diese unterschiedlichen Therapieoptionen setzen viele Wissenschaftler, Ärzte und Patienten mit Morbus Pompe ihre ganze Hoffnung. Mit diesen Optionen, ob alleine oder in Kombination, werden wir in den nächsten Jahren eine sehr gute Therapie mit Verbesserung der Lebensqualität in allen Altersstufen erreichen können. Heilung gerade für seltene Erkrankungen bleibt ein großes Wort, das werden auch diese Therapien noch nicht leisten können.

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