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„Narkolepsie ist ein Notfall“

Einfach eingeschlafen. Mit einem geregelten Tagesablauf und der richtigen Therapie kann man gegensteuern. Foto: CHAILUK CHALATHAI

Narkolepsie ist eine bisher unheilbare Erkrankung, die unbehandelt den Alltag der Betroffenen extrem erschwert. Priv.-Doz. Dr. Ulf Kallweit war maßgeblich an der Studie beteiligt, die die Ursache der neurologischen Krankheit entdeckte. Er sagt, ein offener Umgang mit der Erkrankung ist wichtig.

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Priv.- Doz. Dr. med. Ulf Kallweit   

Leiter Klinische Schlaf- und Neuroimmunologie und Zentrum für Narkolepsie/ zentrale Hypersomnien Universität Witten/Herdecke 

Was empfehlen Sie Ihren Patienten, speziell im Hinblick auf Schule und Beruf, neben der medikamentösen Therapie an Anpassungen im Alltag?

Die Behandlung muss die verschiedenen Aspekte des Alltags so gut wie möglich abdecken können. Medikamentöse Maßnahmen sind da ein wichtiger Baustein. Dafür stehen inzwischen viele effektive und gut verträgliche, moderne Medikamente zur Verfügung. Aber auch die Durchführung von Verhaltensmaßnahmen, wie einen regulären Schlaf-Wach-Rhythmus zu erhalten oder bewusst Tagesschlafzeiten einzuplanen gehören dazu. Das kann variabel mehrfach über den Tag verteilt werden.

„Selfcare“ ist ebenfalls wichtig: dazu gehören ausreichende Bewegung oder eine ausgewogene Ernährung. Bei Narkolepsie kommt es manchmal auch zu psychischen Problemen, was eine psychotherapeutische Betreuung nahelegt.

In der Schule kann man in der Regel gut mit dem Lehrpersonal sprechen und Absprachen treffen. Ein kluger Arbeitgeber sollte diese Dinge ebenfalls einrichten können. Narkolepsie-Patienten sind oftmals genauso einsatzfähig und belastbar wie alle anderen Menschen. Sie müssen einfach nur gelegentliche Schlafpausen am Tag einlegen können.

Welche Hilfestellung gibt es im Hinblick auf die Herausforderungen im sozialen Leben Betroffener und für deren Angehörige?

Im engen familiären Umfeld ist es notwendig, offen zu kommunizieren. Aber es ist ohnehin so, dass die Menschen, mit denen man häufig in Kontakt steht, es unvermeidbar mitbekommen. Die Fürsorge in einer Familie ist ja in aller Regel sehr groß. Es ist wichtig, dass man großes Verständnis für den Betroffenen aufbringt.

Man sollte den Angehörigen die Krankheit erklären, sonst kann es dazu führen, dass das Verhalten des Betroffenen als psychische Krankheit oder Lustlosigkeit beurteilt wird.

Es gibt auch Seminare für Angehörige, um diese aufzuklären. Dies wird leider noch viel zu wenig angeboten. Für das Arbeitsumfeld gibt es sozialmedizinische Unterstützung vom Arzt. Viele Behörden verfügen leider oft nur über eingeschränkte Kenntnisse zur Narkolepsie. In dieser Hinsicht haben wir noch große Defizite zu bewältigen.

Eine neue Studie, an der Sie maßgeblich beteiligt waren, hat nun die Ursache für Narkolepsie aufdecken können. Bisher ist eine Behandlung ja aber nach wie vor rein symptomatisch. Sind nun ursächliche Therapien in Reichweite, um die Erkrankung an der Wurzel zu bekämpfen?

Es gibt in jedem Fall ein immer besserwerdendes Verständnis für die Krankheit. Die Zusammenhänge zwischen Immun- und Nervensystem werden bei der Narkolepsie deutlicher. Es ist wichtig, die Krankheit früh zu behandeln und zu verstehen: Narkolepsie ist ein Notfall. Dies ist aus verschiedenen Gründen wichtig: Eine rasche Diagnose und Therapie führen dazu, z.B. ein Studium beenden zu können oder psychiatrische Folgeerkrankungen zu vermeiden. Auch kann dadurch eine bessere Lebensqualität wiedererlangt werden. Zum anderen können wir möglicherweise in einem frühen Stadium der Erkrankung – und nur dann – das Fortschreiten der Erkrankung noch verlangsamen oder idealerweise stoppen. Daran arbeiten wir zurzeit. Dieses Prinzip ist aber noch in einem jungen Stadium. Dort gilt es noch zu klären, ob es wirklich funktioniert.

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