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Polycythaemia Vera – Betroffene spielen eine wichtige Rolle in der Therapie

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Myeloproliferative Neoplasien (MPN) sind eine Gruppe von seltenen Erkrankungen des Knochenmarkes. Charakteristisch für diese Krankheitsbilder ist eine gesteigerte Produktion von Blutzellen, was sich in einer Vielzahl von Symptomen äußern kann.

Wir sprachen mit Frau Prof. Dr. med. Haifa Kathrin Al-Ali über die Symptome und Behandlungsmöglichkeiten der Polycythaemia Vera (PV), die zu den MPN zählt.

Prof. Dr. med. Haifa Kathrin Al-Ali

Direktorin des Krukenberg-Krebszentrums Halle
Oberärztin in der Klinik für Innere Medizin IV
Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie
Hämatologisch-Onkologische Ambulanz
Spezialsprechstunde myeloische Erkrankungen

Foto: Universitätsmedizin Halle

Frau Prof. Al-Ali, wie sehen die Symptome einer PV aus und auf welche Symptomkonstellationen sollten Mediziner achten?

Symptome lassen sich in allgemeine Beschwerden und durch die Komplikationen verursachte Probleme unterteilen. Allgemeine Symptome sind schwer zu erkennen und von den Patienten kaum mit der Erkrankung in Verbindung zu bringen, wie z. B. Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen. Die Symptome sind unspezifisch, aber ihre Auswirkungen sind enorm und beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich. Zusätzlich treten spezifische Beschwerden wie Sehstörungen und Juckreiz auf, der bei 14% der Patienten auftritt, obwohl auf der Haut keine sichtbaren Anzeichen vorhanden sind.

Viele Patienten durchlaufen einen langen Leidensweg, bis die Krankheit korrekt diagnostiziert wird, und manche kämpfen jahrzehntelang mit den Symptomen. Aufgrund der erhöhten Dichte der roten Blutkörperchen im Körper sehen die Betroffenen äußerlich gesund aus, fühlen sich aber genau das Gegenteil. Dies hat Auswirkungen auf die psychische Verfassung, da viele nicht ernst genommen werden.

Welche Untersuchungsmöglichkeiten hat der Arzt, um eine PV zu diagnostizieren und wie ginge es dann weiter?

Der Arzt kann eine PV anhand des Blutbildes schnell und eindeutig diagnostizieren. Erhöhte Werte von Hämoglobin und Hämatokrit sind dabei ein deutlicher Hinweis. Eine PCR-Analyse des Blutes kann zusätzlich die JAK2-Mutation nachweisen, die die Diagnose PV bekräftigt und eine Untersuchung des Knochenmarks rundet das diagnostische Vorgehen ab. Es ist auch möglich, dass eine PV ohne auffällige Blutwerte vorliegt. Insbesondere bei jungen Menschen können plötzliche und ungewöhnliche Thrombosen auf eine vorhandene JAK2- Mutation hinweisen. Grundsätzlich hat die Erkrankung eine gute Prognose, wenn sie frühzeitig diagnostiziert wird. In Absprache mit dem Patienten sollte dann eine geeignete Therapie gefunden werden.

Warum sollten Betroffene nach Diagnose oder unter Therapie regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen gehen?

Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind für Betroffene von großer Bedeutung. Ein nicht gut kontrollierter Hämatokritwert erhöht z.B. das Risiko von Thrombosen. Eine regelmäßige Überwachung des Blutbildes ist daher unverzichtbar. Auch die Lebensqualität und eine gute Kontrolle der Beschwerden können nur durch gute Verlaufskontrollen gewährt werden. Eine Vergrößerung der Milz kann u.a. ein Anzeichen für das Fortschreiten der Krankheit sein und möglicherweise eine Anpassung der Behandlung erfordern. Zusätzlich müssen die auftretenden Nebenwirkungen der verwendeten Medikamente beobachtet werden: Z. B. ist bei der PV insbesondere während der Behandlung auf unerwünschte Hautreaktionen wie Geschwüre an den Beinen (Beinulzerationen) und hellen Hautkrebs zu achten. Ein regelmäßiger Hautcheck ist daher sehr wichtig.

Wie merkt der Patient, dass sich die Symptome verändern/verschlechtern und es z. B. nicht um weitere Veränderungen des Alters geht?

Für Patienten stehen international anerkannte Fragebögen zur Verfügung, die sie regelmäßig während des Kontakts mit ihrem behandelnden Arzt ausfüllen sollten. Durch den Vergleich der Werte über einen längeren Zeitraum können Verschlechterungen oder Veränderungen erkannt werden. Symptome wie Müdigkeit und Juckreiz lassen sich so über einen längeren Zeitraum besser beurteilen. Zudem wird dadurch das Ausmaß der Beschwerden deutlich und es kann eine klare Abgrenzung zu altersbedingten schleichenden Veränderungen erfolgen.

Wie sollten sich Betroffene verhalten, wenn sie Veränderungen oder neue Beschwerden feststellen?

Es ist ratsam, sofort den behandelnden Arzt aufzusuchen. Durch die Auswertung des Fragebogens erhält der Patient einen umfassenden Überblick über die Symptome, und der Arzt kann entsprechende therapeutische Maßnahmen ergreifen oder die Behandlung anpassen. Der Austausch mit anderen Betroffenen spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Das MPN-Netzwerk bietet die Möglichkeit, das Verständnis für die Krankheit zu verbessern und Kontakt zu anderen Betroffenen aufzunehmen.

Wie können behandelnde Ärzte erkennen, wann eine Anpassung der Therapie notwendig ist?

Der Arzt kann durch die Auswertung des Blutbildes eingreifen und die Therapie entsprechend anpassen. Anhand der Fragebögen können alternative Therapiemöglichkeiten zur Verbesserung der Lebensqualität des Patienten gesucht werden. PV ist eine äußerst vielfältige Erkrankung, und die Probleme und Beschwerden jedes einzelnen Patienten sind unterschiedlich. Als Arzt ist es wichtig, alle Parameter im Blick zu behalten, sie individuell auf den Patienten abzustimmen und gemeinsam an der Therapie zu arbeiten. Bei der Anpassung der Behandlung sollten auch die emotionalen Aspekte berücksichtigt werden. Die Verbesserung der Lebensqualität sollte gemeinsam angestrebt werden.

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