Die 63-jährige Frau kam kaum noch in den ersten Stock ihrer Wohnung.
Den Kontakt zu ihren Freunden mied sie, weil sie sich schämte, so immobil zu sein. Ihr Arzt riet ihr zur Gewichtsabnahme und zu mehr körperlicher Betätigung. Genau das funktionierte aber nicht. Im Gegenteil: Die Atemnot nahm zu, sie war kraftlos, bekam schnell blaue Lippen und war stets müde.
Der Hausarzt überwies sie zum Internisten. Dieser entdeckte im Rahmen einer Echokardiografie ihr vergrößertes Herz, und sie traf bald darauf in der nahen Universitätsklinik auf ein spezialisiertes Ärzteteam, das ihrer eigentlichen Erkrankung rasch auf die Spur kam.
Behandlung möglich – aber mit Limitationen
Die pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH), auch Lungenhochdruck genannt, ist eine seltene und heimtückische Erkrankung der Blutgefäße in der Lunge. Neu erkranken in Deutschland nur etwa 300 Menschen jährlich, die Anzahl der bereits betroffenen Patienten liegt knapp unter 2.000. Der Lungenhochdruck belastet die Pumpleistung des Herzens, das sich in der Folge vergrößert.
Zeitig und präzise diagnostiziert, kann man aber medikamentös nutzbringend eingreifen. Es stehen sogar mehrere Medikamente aus drei Wirkstoffgruppen zur Verfügung – was bei einer so seltenen Erkrankung ungewöhnlich ist, denn hinter jedem Medikament steht ein extrem hoher Forschungsaufwand.
Das klingt also eigentlich gut, hat aber auch seine Tücken: Bislang wurde zwar für jedes einzelne dieser Präparate die klinische Wirksamkeit geprüft, aber dies immer nur in Kurzzeitstudien und gegen ein Scheinmedikament (Placebo).
Gemessen wurde hierbei die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Harte Aussagen zum Langzeitverlauf der PAH waren aber hieraus nicht zu entnehmen.
Die zweite Hürde: Es gab bislang widersprüchliche Aussagen über den Sinn einer Kombination zweier Vertreter dieser Medikamentengruppen. Und es stellte sich die Frage: Soll man bei der Diagnose PAH von vornherein zweigleisig fahren oder soll man das zweite Medikament erst dann einsetzen, wenn sich die klinische Situation verschlimmert?
Eine weitere unangenehme Seite: Durch eine Kombinationstherapie steigen nicht nur die Nebenwirkungsraten, sondern auch die Therapiekosten.
Innovativer Ansatz: Kombination von Anfang an
Zwei große Studien zur Kombinationstherapie bei PAH sind nun in der internationalen Fachliteratur publiziert worden.* In der einen wurde eine bereits bestehende Therapie mit nur einem Medikament Monate später durch ein zweites Medikament ergänzt.
In der zweiten Studie wählte man den innovativen Ansatz: Start mit zwei Medikamenten zur gleichen Zeit – „zweigleisig“ von Anfang an. Der Ausgang: Die Studie mit der späten Kombination verfehlte ihr Ziel. Die Studie mit dem frühen Kombinationsansatz verlief positiv.
Nun ist die Diskussion unter den Experten wieder entbrannt: Muss wirklich jeder neue PAH-Patient eine sofortige Kombinationstherapie erhalten?
Die 63-jährige Patientin hat diese frühzeitige Kombinationstherapie tatsächlich auch erhalten. Der Beginn war mühselig: Kopfschmerzen, Ödeme in den Beinen. Sie hielt durch. Nach acht Wochen ging es ihr mit der Unterstützung des universitären PAH-Zentrums schon viel besser. Sie ist Mitglied der Lungensportgruppe ihrer Stadt.
Zu ihren Freunden hat sie wieder Kontakt aufgenommen. Ihr Internist ist zufrieden: Im Echo hat sie ein wieder verkleinertes Herz. Sie weiß: Geheilt ist sie nicht. Aber die Erkrankung ist vorläufig aufgehalten.
* Hoeper et al. dx.doi. org/10.1016/j.ijcard.2105.11.001; McLaughlin et al. ERJ doi: 101183/139993003.02044-2014; Galiè et al. NEJM 2015; 373:834-44
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