Skip to main content
Home » Krankheitsbilder » „Was ich mir wünsche? Akzeptanz statt dummer Sprüche!“
Krankheitsbilder

„Was ich mir wünsche? Akzeptanz statt dummer Sprüche!“

Foto: ©Alexander Wurm

Nehmt euch die Zeit, die Person hinter der Erkrankung kennenzulernen und lernt, was es bedeutet, mit einer chronischen Krankheit leben zu müssen.

Jannis
Friedreich-Ataxie-Patient
@_liebesmeister

Jannis ist 26 Jahre alt, besucht leidenschaftlich gern Festivals, interessiert sich für Design und Streetwear. Dass er aber nicht so ist wie andere junge Menschen, sieht man bereits an seinem Rollstuhl. Jannis hat Friedreich-Ataxie (FA): eine seltene, erbliche Erkrankung des Nervensystems. Aber Jannis möchte seine Zeit genießen und setzt sich dafür ein, die Friedreich-Ataxie bekannter zu machen.

Lieber Jannis, du hast eine seltene Erberkrankung: Friedreich-Ataxie. Wie hast du bemerkt, dass etwas gesundheitlich nicht stimmt?

Es fing an, als ich elf Jahre alt war. Ich war mit meiner Mutter spazieren und bin beim Laufen immer nach rechts abgedriftet. Da ich zu der Zeit sehr schnell gewachsen bin, dachten wir, dass es daran liegt. Da es aber nicht besser wurde, gingen wir zum Hausarzt. Der meinte, dass er schon mal von einer Krankheit gehört hätte, die solche Symptome auslösen kann. Er nahm das Ganze sehr ernst und hat mich in eine Klinik überwiesen, die auf neuromuskuläre Erkrankungen spezialisiert ist. Dort wurde mir Rückenmarksflüssigkeit entnommen und untersucht. Danach stand fest: Ich habe Friedreich-Ataxie.

Wie alt warst du, als die Diagnose gestellt wurde und was hat das mit dir und deiner Familie gemacht?

Bei der Diagnose war ich zwölf Jahre alt. Ich selbst habe damals noch gar nicht gecheckt, was das für mich und mein Leben bedeutet. Für meine Mutter war die Diagnose ein Schock. Sie hat verstanden, dass die Erkrankung große Auswirkungen auf meine Zukunft haben würde. Früher oder später sind die meisten Betroffenen auf einen Rollstuhl angewiesen, bei mir ist das seit meinem 16. Lebensjahr der Fall. In der Schule wurde es im Laufe der Zeit immer schwieriger für mich. Ich wurde extrem gemobbt, weil mein Gang immer wackeliger wurde und ich langsamer sprach. Ich wurde häufig rumgeschubst, meine Mitschüler haben sich ständig über mich lustig gemacht. Klar, irgendwann habe ich dann auch feststellen müssen, dass die Symptome schlimmer werden und mich immer mehr einschränken. Daran habe ich mich aber schnell gewöhnt, selbst, als ich einen Rollstuhl brauchte. Das Schlimmste für mich war die geballte Ignoranz meiner Mitschüler.

Schaut man sich deine Social Media-Kanäle an, sieht man deutlich: du bist immer mittendrin, trotz deiner Erkrankung und den damit verbundenen Einschränkungen. Wie schaffst du das?

Zu einem gewissen Teil dachte ich mir irgendwann: „Jetzt erst recht!“ Klar habe ich eine krasse Erkrankung, aber ich bin ja trotzdem ein normaler junger Typ, mein Körper funktioniert nur nicht so, wie er sollte. Meine Tattoos haben mir dabei geholfen, mich von anderen abzuheben und zu zeigen, dass ich so viel mehr bin als meine Krankheit!

Foto: Nando Clemens

Mittlerweile habe ich gute Freunde, die sich wirklich für mich interessieren. Diese Unterstützung fühlt sich natürlich gut an und ist toll für mich. Mitleid brauche ich nicht. Was ich brauche, sind Menschen, die sich die Zeit nehmen, den Typen kennenzulernen, der ich bin.

Du sprichst offen über deine Erkrankung und nimmst dabei kein Blatt vor den Mund. Fiel dir das schon immer leicht?

Ich war schon immer ein Mensch, der Dinge gern offen angesprochen hat. Aber Social Media ist natürlich ein besonderer Weg. Angefangen habe ich auf TikTok, da war ich über den Zeitraum von etwa einem Jahr täglich live. So habe ich mir die erste kleine Reichweite aufgebaut. Aber eins muss ich sagen: Ich bekomme auf TikTok unfassbar viele eklige Nachrichten… Das härtet ab. Das zeigt aber noch mal mehr, wie wichtig es ist, Aufklärungsarbeit zu leisten.

Was ist dein Antrieb für deinen Einsatz rund um die Aufklärung über deine Erkrankung und was wünschst du dir für dich und andere Betroffene?

Kein kranker Mensch ist weniger wert! Nehmt euch die Zeit, die Person hinter der Erkrankung kennenzulernen und lernt, was es bedeutet, mit einer chronischen Krankheit leben zu müssen.

Die meisten Betroffenen sind super offen und erklären gern alles! Aber man muss nachfragen und echtes Interesse zeigen. Also bitte: Akzeptanz statt dummer Sprüche!

Mehr zu Jannis‘ Alltag mit Friedreich Ataxie finden Sie auf seinem Instagram-Profil:

Next article