Anna lebt mit der Blutgerinnungsstörung Hämophilie
„Als ich von der Felswand aus tausend Metern Höhe ins Tal heruntergeschaut habe, wurde mir schon ein bisschen mulmig“, sagt Anna beim Gedanken an ihre Wandertour durch die Berge Kaliforniens. Die Tour war Teil ihres USA-Roadtrips, der in vielerlei Hinsicht besonders war.
Nicht nur, weil Anna zwischen Schwarzbären gecampt und in schwindelerregender Höhe gewandert ist, sondern auch, weil die 27-Jährige Studentin Hämophilie hat. Eine seltene Blutgerinnungsstörung.
„In meiner Kindheit hatten die Lehrer und Erzieher im Kindergarten schon immer größere Sorgen, wenn ich zum Beispiel zu hoch geklettert bin“, erinnert sich Anna. Die Sorge ist nachvollziehbar, schließlich bluten Menschen mit Hämophilie deutlich länger als gesunde. Das gilt nicht nur für äußere Verletzungen, sondern auch für Einblutungen in Gelenke oder Muskeln, zum Beispiel beim Verstauchen eines Fußes. Während Betroffene vor wenigen Jahrzehnten noch fast alle Aktivitäten mit Verletzungsrisiko vermeiden mussten, ist das heute dank moderner Therapien anders.
Nicht zu viele Sorgen machen
Eine gute Therapie zeichnet sich für Anna vor allem durch zwei Aspekte aus: „Ich kann fast alles machen, was andere auch machen. Und ich muss so gut wie nie über meine Krankheit nachdenken.“ Beides gelingt ihr ziemlich gut – auch dank ihrer Eltern: „Meine Kindheit war zum Glück nicht durch die Krankheit geprägt. Natürlich haben sich meine Eltern öfter einmal Sorgen gemacht, aber insgesamt waren sie ziemlich entspannt und haben mich viel machen lassen. Das war für mich sehr wichtig.“
Als Anna drei Jahre alt war und eine Blutung einfach nicht stoppen wollte, wurde bei ihr die sehr seltene Erkrankung Hämophilie diagnostiziert. Nur ca. 8.000 Menschen in Deutschland sind betroffen und weit über 95 Prozent von ihnen sind männlich. Anna ist also in doppelter Hinsicht besonders. Das hat sie in Kindergarten und Schule auch gemerkt: „Für Lehrer und Erzieher war das nicht einfach. Zwar waren alle gut informiert, ein Gefühl der Verunsicherung blieb dennoch – vor allem beim Sportunterricht oder auf Klassenfahrten“, sagt Anna.
„Macht mit, fühlt Euch frei und habt Spaß.“
Heute denkt Anna zu 90 Prozent nicht mehr an die Erkrankung. Das liegt auch an einer Therapieumstellung vor rund drei Jahren: „Ich nutze seitdem ein Halbwertszeit-verlängertes Präparat und muss mich so nur noch zweimal pro Woche spritzen.“ Dennoch ist Anna in bestimmten Situationen vorsichtig: „Der Wanderpfad in hunderten Metern Höhe in Kalifornien war schon anspruchsvoll. Vor allem bergab bin ich vorsichtiger als andere und passe besonders auf meine Gelenke auf. Deswegen wurden wir auch das ein oder andere Mal überholt. Aber: Was soll’s?“
Nach diesem Motto lebt Anna schon seit ihrer Kindheit. Dabei sein und ausprobieren – schon in der Schule hat sie überall mitgemacht, wo es möglich war. Und das rät sie auch allen anderen Kindern und Jugendlichen mit Hämophilie: „Lasst euch nichts erzählen. Macht mit. Habt Spaß. Auch wenn ihr immer etwas mehr organisieren und auf einen Zwischenfall vorbereitet sein müsst. Es lohnt sich.“