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Wenn die Diagnose 18 Jahre dauert

Foto: New Africa via Shutterstock

Ein Gespräch mit Conny Rudolph, Morbus-Fabry-Patientin, über die jahrelange Odyssee bis zur Diagnose ihrer seltenen Erkrankung und ein neues Leben mit der Therapie. 

Conny Rudolph

Morbus-Fabry-Patientin

Sie sind Morbus-Fabry-Patientin und haben einen langen Weg gehen müssen, bis Sie die Diagnose erhalten haben. Wann sind die ersten Beschwerden aufgetreten und wann wurde letztlich die Diagnose gestellt?

Ich habe die Krankheit wohl seit meiner Kindheit. Die Diagnose habe ich allerdings erst im Dezember 2017 erhalten. Als Kind litt ich unter Schmerzen, bei Hitze konnte ich nicht am Sport teilnehmen. Ärzte und Eltern haben es auf das Wachstum geschoben. Mit Anfang 20 kamen Migräne und Schmerzkrisen an Händen und Füßen hinzu. 2003 hatte ich einen Schlaganfall, der zu spät erkannt wurde. Man diagnostizierte eine psychogene Lähmung, mit der aber niemand etwas anfangen konnte. Dann wurden die Schmerzen immer schlimmer. Schmerzmittel halfen nicht.

Die Odyssee ging weiter: Man diagnostizierte eine Ablösung der Netzhaut an meinem Auge, korrigierte den Befund aber wieder. 2015 war der berufliche und private Stress so groß, dass ich wegen meiner Depression mit Medikamenten behandelt wurde. Allerdings merkte ich, dass die Antidepressiva meine Schmerzen minderten. An dieser Stelle wurde meine Neurologin hellhörig. Daraufhin diagnostizierten Ärzte jedoch bei den folgenden Untersuchungen fälschlicherweise erst MS und dann vaskuläre Demenz. Meine Erkrankung war für keinen Arzt greifbar. Irgendwann entschied sich meine Neurologin für eine Genomuntersuchung. Eines Tages, an einem Donnerstag Nachmittag rief sie mich an und frage, ob ich sitze. Sie teilte mir nach 18 Jahren meine Diagnose mit. Ich habe Morbus Fabry.

Wie ging es nach der Diagnose weiter und wo haben Sie Hilfe gefunden?

Leider hörte die Odyssee nicht auf: Ich musste ein halbes Jahr auf einen Termin in einem medizinischen Zentrum warten. Dort teilten die Ärzte mir mit, dass mein Morbus Fabry angeblich nicht krankheitsrelevant sei. Das war für mich völlig absurd, denn meine sehr zahlreichen Symptome waren ja offensichtlich. Bei einem MRT hatte sich inzwischen herausgestellt, dass ich wohl in der Vergangenheit mehrere Schlaganfälle und damit Zellschädigungen im Gehirn gehabt hatte, ohne dies zu bemerken. Dennoch gab man mir keine Behandlung. An diesem Punkt war ich komplett verzweifelt.

Ich wollte nichts mehr mit Ärzten zu tun haben. Hinzu kam die für mich anstrengende Anfahrt und Wartezeit vor Ort. 2019 schlug mir meine Neurologin einen zweiten Versuch in einem Zentrum in Dresden vor. Anfang 2020 untersuchte man dort gefühlt jede meiner Zellen. Die Ärzte nahmen auch meine Hautauffälligkeiten ernst, genauso wie meine inzwischen verdickte Herzwand. Aufgrund der Coronapandemie konnte jedoch meine Infusionstherapie nicht starten. Im Juli 2020 wurde ich dann endlich behandelt, sechsmal in der Klinik alle 14 Tage. Seit Oktober 2020 therapieren mich Krankenschwestern bei mir zu Hause. Das lässt sich natürlich leichter in meinen Alltag integrieren. Diese Therapie mit Medikamenten erhalte ich nun ein Leben lang.

Foto: Privat


Wie sieht Ihr Leben nun aus und welche Rolle spielt Ihre Erkrankung im Alltag?

Ich bin äußerst zufrieden. Der Umgang mit meinen Schmerzen ist um Welten besser. Seit vielen Jahren kann ich endlich richtig schlafen. Das bisherige Schlafdefizit hatte Unausgeglichenheit, Unkonzentriertheit und Vergesslichkeit zur Folge. Jeder Stress im Beruf war vorher ein weiterer Trigger für Schmerzen. Jetzt kann ich auch bei meiner Tätigkeit als Sachbearbeiterin mehr Ruhe ausstrahlen.

Was würden Sie anderen Betroffenen gern mit auf den Weg geben? Typische Tipps wie Arztwechsel oder mehr Informationen waren in Ihrem Fall ja nicht hilfreich.

Man sollte sich unbedingt einen Anker suchen, der einen aufrichtet. Man muss sich trauen, den Arzt zu wechseln, wenn der einen nicht versteht. Es ist heute natürlich schwer, weil Ärzte terminlich überlastet sind. Auch bei undefinierten Symptomen sollte man nicht die Hoffnung aufgeben. Zentren für seltene Erkrankungen sind sehr interessiert und hilfreich. Leider sind sie vor allem in großen Städten zu finden. Es lohnt sich dennoch, einen langen Anfahrweg für den richtigen Ansprechpartner in Kauf zu nehmen.

An Morbus Fabry sind in ganz Deutschland etwa 1.200 Menschen erkrankt, mit einer hohen Dunkelziffer. Es ist eine Erbkrankheit, die zu Beginn sehr unspezifische Auswirkungen hat: Schmerzen in den Gelenken, Flecken auf der Haut oder extreme Müdigkeit. So wird die Krankheit häufig erst festgestellt, wenn sie schon große Schäden angerichtet hat: starke Nierenschädigung, Schlaganfall in jungen Jahren oder extreme Vergrößerung des Herzmuskels. Unbehandelt sterben Patienten rund 25 Jahre früher.

Seit 20 Jahren gibt es für Patienten mit Morbus Fabry wirkungsvolle Therapien, die die Erkrankung stoppen oder verlangsamen. Je früher sie erkannt wird, umso geringer sind die bleibenden Schäden. Doch gibt es nur wenige gute Behandlungszentren für diese seltene Erkrankung. Es ist wichtig, dass wir als Gruppe von betroffenen Patienten sichtbarer werden, uns gegenseitig mit Informationen über Kliniken und neue Therapieansätze versorgen –auch im persönlichen Austausch. Mit 120 Mitgliedern versucht die Morbus Fabry Selbsthilfegruppe (MFSH) unter anderem, in der Politik und in der Forschung auf dieses Krankheitsbild aufmerksam zu machen.

Morbus Fabry Selbsthilfegruppe e. V. – Zusammen stärker!

https://www.fabry-shg.org/

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