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„Wer die symptomatische Behandlung von heute konsequent durchführt, kann morgen besser von den neuen Therapien des Basisdefekts profitieren“

Inhalationstherapie: Schon bei jungen CF-Patienten ist die Supportivtherapie ein Teil des Alltags. Foto: Photographee.eu via Shutterstock

Mukoviszidose, auch zystische Fibrose (CF) genannt, ist eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, welche die Lunge, den Verdauungstrakt und einige weitere Organe betrifft und bislang tödlich verläuft. Warum eine kontinuierliche Behandlung so wichtig ist und warum große Hoffnung auf eine effektive Therapie besteht, erklärt Prof. Dr. med. Marcus A. Mall im Interview.

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Prof. Dr. med. Marcus A. Mall

Leiter der Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Welche Einschränkungen erleben Betroffene bereits in jungen Jahren?

Vor der Diagnosestellung sind die Kinder von klein auf meist deutlich beeinträchtigt, haben Bauchschmerzen und chronische Durchfälle, die zu einer Gedeihstörung führen und leiden meist unter chronischem Husten und häufigen Infekten der Atemwege, bis hin zu Lungenentzündungen. Sobald die Diagnose gestellt werden konnte, kann mit einer gezielten Therapie begonnen werden. Dadurch können die Beschwerden bei den meisten Kindern heute gut kontrolliert werden, es kommt aber trotzdem immer wieder zu Atemwegsinfekten und über die Zeit zu einer fortschreitenden Verschlechterung der Lungenfunktion.

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Was bedeutet die regelmäßige Behandlung für die Betroffenen und den Alltag?

Regelmäßige Kontrollen und Behandlungen in der Klinik führen bei Kindern mit Mukoviszidose zu häufigen Fehltagen im Kindergarten und in der Schule. Es ist auch gar nicht so leicht, die Therapie in Kita und Schule regelmäßig durchzuführen, beispielsweise die Einnahme von Verdauungsenzymen zu den Mahlzeiten oder regelmäßige Inhalationen.  Es ist für die Kinder auch nicht einfach, ihren Mitschülern oder Lehrern zu erklären, was für eine Erkrankung sie haben. Zumal es den meisten Kindern mit Mukoviszidose heute relativ gut geht und man ihnen nicht ansieht, dass sie an einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Erkrankung leiden. Dennoch sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen sowie eine kontinuierliche Therapie immens wichtig.

Warum ist es so wichtig, dass Betroffene ihre zeitintensive und teils anstrengende Therapie konsequent durchführen?

Als wir die Erkrankung noch nicht gezielt behandeln konnten, sind viele Betroffene bereits im Kindesalter verstorben. Mit den heute zur Verfügung stehenden Therapien konnte die Lebenserwartung deutlich verbessert werden. Fast alle Betroffenen erreichen das Erwachsenenalter und die mittlere Lebenserwartung in Deutschland liegt bereits bei über 40 Jahren. Dieser Erfolg kann jedoch nur erreicht werden mit einer intensiven Therapie, die möglichst früh begonnen und lebenslang fortgeführt wird. Durch die Einführung des Neugeborenenscreeings auf Mukoviszidose gelingt es uns seit einigen Jahren, bereits in den ersten Lebenswochen mit einer vorbeugenden Therapie zu beginnen. Das ist immens wichtig, um das Auftreten chronischer Lungenschäden möglichst lange zu verhindern, da wir wissen, dass diese nach wie vor die häufigste Todesursache bei Patienten mit Mukoviszidose sind.

Viele CF-Betroffene ergreifen trotz Erkrankung einen Beruf oder gründen eine Familie. Bei einer guten Therapietreue ist ein „normales“ Leben also möglich?

Bei einem zunehmenden Teil der Betroffenen ist heute ein weitgehend normales Leben mit Berufsausübung und Gründung einer Familie möglich. Zudem gab es in den letzten Jahren einen wichtigen Durchbruch bei der Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung des CF-Basisdefekts. Mit diesen neuen Therapien können nicht nur die Symptome behandelt, sondern die Erkrankung direkt an der Wurzel gepackt werden. Mit diesen neuen Therapien besteht erstmals eine realistische Chance, die Prognose der Mukoviszidose in den nächsten Jahren nochmal deutlich zu verbessern und diese bisher tödlich verlaufende Erkrankung in eine behandelbare Erkrankung zu verwandeln. Das A und O ist hier aber auch, dass möglichst wenig chronische Lungenschäden vorliegen. Noch ein Grund mehr, die bisherige Therapie möglichst früh zu beginnen und konsequent durchzuführen. 

Welche zusätzlichen Angebote zur Unterstützung Betroffener gibt es? Hilft es Patienten Ihrer Erfahrung nach, sich untereinander zu vernetzen und auszutauschen?

Mit dem Mukoviszidose e. V. haben wir in Deutschland eine engagierte Patientenorganisation, die umfassendes und zuverlässiges Informationsmaterial rund um die Mukoviszidose zur Verfügung stellt, sowie hervorragende Schulungsangebote und Möglichkeiten für einen gegenseitigen Erfahrungsaustausch bietet. Nach meiner Erfahrung ist das sowohl für die Betroffenen als auch die Angehörigen oftmals eine große Hilfe bei der Krankheitsbewältigung.

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