Home » Krankheitsbilder » Zielgerichtete Therapien bei Mukoviszidose 
Krankheitsbilder

Zielgerichtete Therapien bei Mukoviszidose 

FOTO: Shutterstock_1914976399

Die konsequente Durchführung der Behandlung soll Betroffenen ein normales und beschwerdefreies Leben ermöglichen

Mukoviszidose, auch zystische Fibrose (CF) genannt, ist eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die unbehandelt tödlich verläuft. Warum eine frühe Diagnose und eine kontinuierliche Behandlung so wichtig sind, erklärt Prof. Dr. med. Marcus A. Mall im Interview.

Prof. Dr. Marcus A. Mall

Professor und Direktor der Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin, Ärztlicher Centrumsleiter des CharitéCentrum 17 für Frauen-, Kinder und Jugendmedizin mit Perinatalzentrum und Humangenetik, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Anzeige

Herr Prof. Mall, die Mukoviszidose ist eine seltene Multiorganerkrankung und eine der wenigen seltenen Erkrankungen, die im Neugeborenen-Screening abgebildet ist. Warum ist es so wichtig, die Erkrankung möglichst früh zu diagnostizieren?

Das Organ, das bei den meisten Patienten die stärksten Beschwerden verursacht, ist die Lunge. Dort entsteht aufgrund des Gendefektes, der der Mukoviszidose zugrunde liegt, ein besonders zäher Schleim, welcher die Atemwege verstopft. Das ist ein idealer Nährboden für Bakterien und führt bereits bei kleinen Kindern zu einer chronischen Infektion und Entzündung der Atemwege. Diese chronische Entzündung zerstört fortschreitend die Lunge. Unbehandelt erreichen betroffene Kinder kaum das Schulalter. Durch das Neugeborenen-Screening gibt es die Möglichkeit, die Erkrankung frühzeitig zu diagnostizieren und eine Therapie in die Wege zu leiten. Ein früher Therapiebeginn hat das Potenzial, die Entstehung von irreversiblen Organschäden, vor allem an der Lunge, zu verzögern oder gar zu vermeiden.

Mit welchen Beschwerden haben Betroffene zu kämpfen?

Neben der Lunge sind eine Reihe von weiteren Organsystemen betroffen: dazu gehören die Bauchspeicheldrüse, der Darm und die Leber. Etwa 85% der Betroffenen haben aufgrund angeborener Probleme mit der Bauchspeicheldrüse eine Verdauungsstörung, die sich durch Bauchschmerzen und chronische Durchfälle äußert. Hierdurch kommt es bereits bei kleinen Kindern zu einer Gedeihstörung, d.h. die Kinder nehmen nicht ausreichend an Gewicht zu. Weiterhin leiden sie durch die Schädigung der Lunge unter chronischem Husten und häufigen Infekten der Atemwege, bis hin zu Lungenentzündungen. Durch die Beeinträchtigung der Bauchspeicheldrüse kann zudem im weiteren Verlauf der Erkrankung ein Diabetes hinzukommen. Außerdem kann es zu Leberproblemen im Sinne einer Leberzirrhose kommen.

Wie sehen die derzeitigen Therapieoptionen aus?

Über lange Zeit konnten wir ausschließlich die Symptome der Erkrankung behandeln, das aber durchaus mit gutem Erfolg: denn so konnten wir die Lebenserwartung für Betroffene bereits auf über 40 Jahre steigern. Symptomorientiert bedeutet z. B. für die Verdauungsstörungen, dass die fehlenden Verdauungs-Enzyme der Bauchspeicheldrüse ersetzt werden, um damit die Durchfälle und Gedeihstörung zu behandeln. Für die Lunge bedeutet das eine lebenslange, schleimlösende Therapie: diese besteht zum einen aus einer schleimlösenden Inhalationstherapie unter Einsatz verschiedener schleimlösender Medikamente, und zum anderen aus Physiotherapie, um den Schleim aus der Lunge abzutransportieren. Die Atemwegsinfektionen werden mittels Inhalationen oder einer systematische Antibiotikagabe behandelt. Alle Inhalationen müssen mehrmals am Tag durchgeführt werden und beschäftigen die Betroffenen oft mehrere Stunden am Tag. Seit einigen Jahren gibt es einen kausalen Therapieansatz, der ein wahrer Durchbruch für Betroffene war, weil das eigentliche Problem an der Wurzel angepackt wird. Diese sogenannten CFTR-Modulatoren greifen an dem durch den Gendefekt fehlgefaltetem Protein an und setzen somit am Basisdefekt der Erkrankung an.

Das Ziel ist, dass Betroffene möglichst lange ein normales, gesundes Leben führen können, ohne dass die Erkrankung das Steuer übernimmt.

Seit einigen Jahren können wir so bis zu 90% der Betroffenen behandeln. Betroffene müssen dafür zweimal täglich Tabletten einnehmen, was gegenüber der rein symptomorientierten Behandlung einfach umzusetzen und viel weniger zeitintensiv ist.

Anzeige

Zudem hat die systemische Verabreichung in Form einer Tablette den Vorteil, dass jedes betroffene Organ erreicht wird. Das ist ein echter Fortschritt, der zu einer enormen Verbesserung der Lebensqualität und voraussichtlich auch der Lebenserwartung führt. Dadurch kann eine potenziell tödliche Erkrankung zu einer behandelbaren, chronischen Erkrankung werden.

Da es bisher noch keine Heilung für die Erkrankung gibt, müssen Betroffene ein Leben lang behandelt werden. Wie können Betroffene motiviert bleiben, an der Therapie dranzubleiben?

Der langfristige Behandlungserfolg hängt wesentlich von einer lebenslangen und regelmäßig durchgeführten Therapie ab. Durch den Fortschritt der angesprochenen Kausaltherapie werden die Beschwerden deutlich weniger, was aber nicht zum Vergessen oder Auslassen der Einnahme führen darf. Daher ist vor allem auch bei Kindern und Jugendlichen auf eine regelmäßige Therapie zu achten. Die Betroffenen und ihre Familien müssen daher auch in Zukunft engmaschig betreut werden. Die Herangehensweise sollte sein, dass man mit einem frühen Therapiebeginn vor Auftreten der Beschwerden präventiv tätig wird, anstatt wie früher den Problemen hinterherzulaufen.

Der Schlüssel ist zudem, sowohl die Kinder als auch ihre Familien in Schulungsprogrammen zu erklären, was im Körper von Betroffenen passiert, weshalb sie die Therapie durchführen, und was passieren kann, wenn sie hier nachlässig werden. Denn das Ziel ist ja, dass sie lange ein möglichst normales, gesundes Leben führen können, ohne dass die Erkrankung das Steuer übernimmt.

Nächster Artikel