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Anlaufstellen

Leben und lachen bis zuletzt

Foto: Kathrin Menke

Seltene Erkrankungen betreffen oft Kinder, und in vielen Fällen führen sie dazu, dass die Lebenserwartung der jungen Patienten stark verkürzt ist. Das ist eine schwere Last, die auf den Schultern der Kinder und ihrer Familien lastet. In Kinder- und Jugendhospizen werden diese Familien auf ihrem schweren Weg begleitet — und das mit so viel Leichtigkeit, Lebensfreude und Lachen, wie es nur irgend möglich ist.

Wir sind nicht dafür gemacht, ewig zu leben. Und doch gibt es gewisse unausgesprochene „Anforderungen“ an das Leben und an den Tod, die jeder eingehalten sehen möchte. Dazu gehört unbestritten, dass man miterleben möchte, wie sein Kind aufwächst, die Schule abschließt,  wie es sich zum ersten Mal verliebt und zum ersten Mal selbst das Leben eines Erwachsenen führt. Dass das eigene Kind vor den Eltern geht, ist einfach nicht so vorgesehen.

Und doch passiert genau das jeden Tag und stellt besonders das Leben der Eltern und Geschwister vollkommen auf den Kopf. Das gilt ganz besonders für Kinder, die so schwer erkranken, dass klar ist, dass sie ein verkürztes Leben haben werden. Denn dann ist es ein Abschied auf Raten: Man bewegt sich zwischen den Welten, immer wissend, dass die gemeinsame Zeit abläuft.

Etwa 50.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene und ihre Familien betrifft das allein in Deutschland. Und auch wenn man noch Jahre oder vielleicht Jahrzehnte vor sich hat: Im ersten Moment ist für Betroffene alles schwarz. 

Arbeit im Kinderhospiz – wo Licht auf das Dunkel trifft

Wie kann man unter diesen Bedingungen weiter ein „normales“ Leben führen? Wo liegt überhaupt noch der Sinn zu leben? Betroffene Familien stehen vor einem Scherbenhaufen. Sie brauchen Unterstützung, sie brauchen Beistand, sie brauchen Verständnis und Betreuung. All das bekommen sie in einem der aktuell 139 ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienste oder 17 stationären Hospize für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland. 

Dabei geht es nicht nur darum, dass lebensverkürzend erkrankte Kinder ihre letzten Tage nicht in einem weißen, sterilen Krankenhauszimmer verbringen müssen. Es geht darum, Familien in den dunkelsten Stunden, Wochen oder Jahren zu begleiten, wie eine große starke Schulter zum Anlehnen für Betroffene da zu sein. Das Hospiz soll ein Ort zum Wohlfühlen und Kraft-tanken sein und den betroffenen Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben, so lange wie möglich mit Spaß am Leben dabei zu sein. Genau das leisten all die Menschen, die haupt- und ehrenamtlich in diesen Hospizen tätig sind. Sie sind das Lächeln, das jeden Morgen den Raum der Kinder erhellt, das Gehör für die Angehörigen, denen die Last ihres todkranken Kindes zu schwer wird, sie sind da und geben Sicherheit. Sei es in Gesprächsrunden, in denen Betroffene und Angehörige zusammenfinden und gemeinsam Erfahrungen teilen oder über den Lebenssinn sprechen können. Oder beim Teilen ihre Erfahrungen, um dabei zu helfen, das Leben der Kinder und deren Familien solange sie es gemeinsam erleben dürfen, weiterhin lebenswert zu machen. Sie geben den Eltern und Geschwistern aber auch die Möglichkeit, die Pflege des kranken Kindes einmal vertrauensvoll abgeben zu können, um zur Ruhe kommen zu können. Speziell ausgebildete Familienbegleiter leisten hier wichtige Unterstützungsarbeit, um Trauer, Ängste, Sorgen und vielleicht auch Ärger bewältigen zu können.

Eine Mutter erzählt

So ist es auch bei der 15-jährigen Melanie, die am Wolf-Hirschhorn-Syndrom leidet und regelmäßig Gast im Jugendhospiz Balthasar in Olpe ist. Ihre Mutter Simone erzählt von ihren Erfahrungen:

„Vor drei Jahren waren wir zum ersten Mal im Kinder- und Jugendhospiz Balthasar in Olpe. Mein Mann und ich hatten Angst, denn beim Gedanken an das Hospiz kam auch gleichzeitig der Gedanke ans Sterben. Viele Jahre konnten wir uns daher auch nicht dazu durchringen, ein Hospiz aufzusuchen. Wir konnten uns auch nicht vorstellen, dass irgendjemand anderes Melanie so gut pflegen würde wie wir selbst. Als wir uns dann doch durchrangen, spürten wir bei unserem ersten Besuch, welche Entlastung der Aufenthalt für uns bedeutet. Schnell sahen wir, dass die Pflegekräfte sehr wohl in der Lage waren, Melanie zu versorgen. Sie schlief gut und war sehr entspannt nach ihrem Aufenthalt. 

Für uns Eltern ist die Zeit im Hospiz ebenso sehr erholsam. Nicht selten stehen wir zu Hause nachts drei- bis viermal auf, um nach Melanie zu sehen. Es ist schön, auch mal wieder eine Nacht durchzuschlafen. Auch der Austausch mit anderen betroffenen Eltern ist hilfreich. Im ,Balthasar’ haben wir eine Familie kennengelernt, die ebenfalls vom seltenen Wolf-Hirschhorn-Syndrom betroffen ist.“

Vorlesen im Kinder- und Jugendhospiz Balthasar. (Foto: Kathrin Menke)

Ein Kinderhospiz ist also viel mehr als nur „die letzte Betreuung“. Es bedeutet Wertschätzung für das Leben und die Zeit, die einem noch bleibt. Es ist dafür da, den Familien ein Licht aufzuzeigen an einem Ort, an dem sie nur noch Dunkelheit sehen. Und auch wenn der Moment des Abschiedes dann kommt, ist das Hospiz für die betroffenen Familien da. So können sie sich in Ruhe verabschieden und haben die Möglichkeit, aufgefangen zu werden: Für Fragen oder Gespräche der Hinterbliebenen ist jederzeit Raum.

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