Durch eine Genmutation hat Tobias die Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa. Er lebt mit dieser Erkrankung schon seit seiner Geburt. Warum er sich für eine Gentherapie entschieden hat und wie es ihm heute damit geht, erfahren Sie im Interview.
Tobias, wie und wann haben sich die Symptome der Retinitis pigmentosa bei dir geäußert?
Als kleines Kind habe ich immer direkt ins Licht gesehen, das fiel den Ärzten früh auf. Die Diagnose „Retinitis pigmentosa“ erhielt ich allerdings erst als ich acht Jahre alt war. An der Augenklinik Essen hatten wir Professoren gefunden, die diese Erkrankung schon lange erforschten und die Diagnose stellten.
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Der Selbsthilfeverein PRO RETINA Deutschland e. V. ist mit bundesweit mehr als 6.500 Mitgliedern in rund 60 Regionalgruppen die größte und älteste Patientenvereinigung von und für Menschen mit Netzhauterkrankungen und deren Angehörige. PRO RETINA unterstützt Betroffene und ihre Angehörigen nach dem Leitsatz „Krankheit bewältigen, selbstbestimmt leben“, fungiert als Bindeglied zwischen Patient und Arzt und unterstützt die Forschungsförderung, damit neue Therapien entwickelt werden.
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Das heißt, die Retinitis pigmentosa wurde lange nicht bei dir erkannt. Kannst du dir erklären, warum es so lange gedauert hat?
Ich hatte die Erkrankung von Geburt an und kann mich nicht im Detail an die ersten Jahre erinnern. Was ich weiß, ist, dass wir lange gesucht haben und in vielen Kliniken waren, bis wir Augenärzte fanden, die sich mit der Erkrankung auskannten.
Warum hast du dich für die Gentherapie entschieden?
Es gab keine andere Möglichkeit, ich habe aber erst mal gezögert. Zum Zeitpunkt des Eingriff s war die Gentherapie noch nicht freigegeben. Ich war Teil einer Studiengruppe und kam als Testperson infrage. Verunsichert hat mich die Sorge vor dem Risiko, vor möglichen Nebenwirkungen und Komplikationen. Gleichzeitig wollte ich die Chance wahrnehmen, die sich aus der neuen Therapiemöglichkeit ergibt, und ich wusste, dass die Therapie umso besser wirkt, je jünger man ist. Ich war hin- und hergerissen. Schließlich entschied ich mich, mit dem Eingriff zu warten, bis ich mein Abitur habe, und ihn im Anschluss machen zu lassen. Mit dem Abschluss fand ich mein persönliches Risiko, wenn etwas schiefgehen sollte, nicht ganz so hoch. Ein weiterer Vorteil zu warten, war auch, dass ich den Eingriff in Deutschland machen lassen konnte. Vorher hätte ich dafür ins Ausland fliegen müssen.
Was waren deine größten Bedenken?
Es gab für mich eine Ungewissheit, da der Eingriff so neu ist. Ich hatte vorab einen ganzen Katalog mit möglichen Risiken bekommen und musste mich darauf einstellen, dass etwas schiefgehen kann. Es dauerte bis ich sagen konnte: “Okay , ich stehe mit beiden Beinen fest auf dem Boden, wenn etwas schiefgeht, komme ich damit klar.” Als der Eingriff vorgenommen wurde, war ich durch den Lockdown ohnehin viel zu Hause, in meinem vertrauten Umfeld. Das hat mich darin bestärkt, es zu probieren – zunächst mit einem Auge. Ich hätte zu Hause Zeit gehabt, mich auf eine Verschlechterung einzustellen. Gleichzeitig merkte ich, dass die Erblindung fortschreitet und dass die Hilfsmittel, die ich zuvor genutzt hatte, nicht mehr so gut funktionieren. Ich wollte handeln.
Die Gentherapie soll vor allem verhindern, dass die Sehfunktion abnimmt, und somit auch vor Erblindung bewahren. Was hat der Eingriff bei dir bewirkt und was hat sich seither in deinem Alltag verändert?
Durch den Eingriff hat sich bei mir das Sehen verbessert. Ich wachte aus der Narkose auf und stellte fest, dass es auf der Seite, bei dem der Eingriff gemacht wurde, viel heller ist als auf der anderen. Es dauerte eine Weile, bis die Beschwerden nach der Behandlung abgeklungen waren, aber danach konnte ich auf dem Auge schärfer sehen, auch Farben sah ich viel deutlicher. Das war eine große Veränderung zum Positiven. Weil es so gut geklappt hatte, ließ ich kurz darauf auch das andere Auge behandeln.
Was würdest du anderen Betroffenen raten?
Der Erfolg des Eingriffs scheint altersabhängig zu sein. Wenn man sich dafür entscheidet, sollte man möglichst jung sein, auch sollte die Erkrankung nicht zu weit fortgeschritten sein. Ich würde den Eingriff so früh wie möglich machen lassen. Achten sollte man auch auf Fachkompetenz bei den Operateuren und auf die Möglichkeit zum Austausch. Durch die Studie hatte ich persönliche Ansprechpartner, mit denen ich Fragen klären konnte und die mich auch im Nachgang des Eingriff s begleitet haben. Das war sehr hilfreich.