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„Die besten Informationen bekommen Morbus Fabry-Patienten von anderen Betroffenen.“

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Morbus Fabry ist eine erblich bedingte Stoffwechselstörung, die das Leben Betroffener stark beeinträchtigen kann. Natascha Sippel-Schönborn ist selbst betroffen von der Erkrankung und Geschäftsführerin der Morbus Fabry Selbsthilfegruppe (MFSH) e. V. – Warum anhaltende Forschung im Sinne der Patienten so wichtig ist und welche Rolle die Selbsthilfe hier einnimmt, erzählt sie uns im Interview.

Natascha Sippel-Schönborn

Geschäftsführerin der Morbus Fabry Selbsthilfegruppe (MFSH) e. V. und selbst Morbus Fabry-Patientin

Foto: Privat

Meine Ambition war von Anfang an, mehr Informationen verfügbar zu machen und engmaschigere Austauschmöglichkeiten für Betroffene zu schaffen.

Frau Sippel-Schönborn, Sie sind selbst betroffen von Morbus Fabry. Wie gehen Sie persönlich mit Ihrer Erkrankung um?

Nachdem ich mit Verdacht auf Herzinfarkt ins Uniklinikum Mainz eingeliefert wurde, war ein Arzt direkt hellhörig, da ich keinen Gefäßverschluss hatte, der für einen Infarkt typisch wäre. Als er hörte, dass mein verstorbener Vater mehrere Herzinfarkte, Nierenprobleme und Schlaganfälle hatte, riet er mir zu weiteren Untersuchungen und einer genetischen Analyse. Es war großes Glück, dass der Arzt schon einmal von Morbus Fabry gehört hatte, die Puzzleteile richtig kombinierte und so die Diagnose gestellt werden konnte. Meinen ersten Behandlungstermin im Zentrum für seltene Erkrankungen Mainz hatte ich dann sechs Monate später: die Wartezeit war schrecklich und ich hatte große Angst, dass zwischenzeitlich wieder etwas passiert. Ich leide zum Glück nicht unter Schmerzen, aber habe Einlagerungen im Herzen, eine Herzwandverdickung und Herz-Rhythmus-Störungen. Die medikamentöse Behandlung hält das Fortschreiten meiner Erkrankung auf und bringt mir die Sicherheit, nicht von Krankheitsschüben überrollt zu werden. Ich habe außerdem einen Herzschrittmacher. Mir geht es dadurch recht gut und ich lebe nicht mehr in ständiger Angst.

Sie sind Geschäftsführerin der MFSH e. V. Warum ist die Vernetzung unter Patienten so wichtig?

Nach meiner Diagnose musste ich feststellen, dass sehr wenige Ärzte Morbus Fabry kennen. Ich war vergeblich auf der Suche nach Informationen für mich und meine vier Kinder, die alle von Morbus Fabry betroffen sind. Leider hatte ich das damals jährliche Treffen der Selbsthilfegruppe gerade verpasst. Als die damalige Vorsitzende der Selbsthilfegruppe zurücktrat, rückten Herr Dr. Wilden als Vorsitzender und Herr Landgraf als stellvertretender Vorsitzender nach. Sie fragten mich, ob ich den nächsten Fabry-Frauenworkshop besuchen und dabei die MFSH vorstellen könne: mein erster Schritt in die Selbsthilfearbeit. Ich bekam von den Teilnehmenden sehr positives Feedback und besuchte weitere Workshops, in denen ich kleine Vorträge hielt. Mir wurde bald klar, dass ich eine Teilzeitarbeit nicht mehr mit der Arbeit in der Selbsthilfe unter einen Hut bekomme.

Also habe ich erst einen Minijob in der Selbsthilfegruppe übernommen und arbeite inzwischen halbtags als Geschäftsführerin der MFSH e. V. Meine Ambition war von Anfang an, mehr Informationen verfügbar zu machen und engmaschigere Austauschmöglichkeiten für Betroffene zu schaffen. Im Alltag sind Betroffene meist auf sich gestellt. Die besten Tipps bekommen sie von anderen Patienten, die ihre Beschwerden nachvollziehen können.

Dieser Austausch ist extrem wichtig, insbesondere für Kinder: wie geht man z. B. im Sportunterricht damit um, wenn man Schmerzen hat, ohne als Drückeberger abgestempelt zu werden? Wie erkläre ich anderen meine Erkrankung? Unsere Jugendtreffen geben Raum für diesen Austausch. Erwachsene Betroffene haben wieder andere Hürden: Viele können z. B. nicht in Vollzeit arbeiten und brauchen Unterstützung bei sozialrechtlichen Fragen. Bei unseren Online-Treffen, die zweimal monatlich stattfinden, bekommen sie schnell Antworten auf ihre Fragen.

Sie vernetzen auch die Forschung mit Betroffenen. Wie können Betroffene sich hier aktiv beteiligen und welche Rolle übernimmt dabei die MFSH e. V.?

Patienten sind sehr interessiert daran, was sich in der Forschung tut, da sie wissen, dass sie davon profitieren, wenn Therapien weiter verbessert werden. Wir sehen es als unsere Aufgabe, mit medizinischen Zentren und der Pharmaindustrie in Kontakt zu treten, um Patienten z. B. zu Studien zu informieren, an denen sie teilnehmen können. Den Betroffenen ist sehr bewusst, welche wichtige Rolle sie in der Forschung spielen, gerade weil die Patientenzahl klein ist.

Die große Hoffnung der Patienten ist, dass es irgendwann eine Möglichkeit gibt, die Erkrankung ursächlich zu bekämpfen. Zudem werden wir zunehmend gefragt, was wir Patienten brauchen, um den Alltag mit der Erkrankung zu bestreiten und zu welchen Themen wir Informationen benötigen. Diese Themen bringen wir dann bei Ärzten und Pharmaunternehmen zur Sprache, die dann z. B. Workshops und Vorträge für Betroffene organisieren. Auch beim Erstellen von Infomaterial werden wir intensiv mit einbezogen, da uns hierfür oftmals die Ressourcen fehlen. Wir stellen dann gern die gesammelten Infos der Pharmaunternehmen zur Verfügung und freuen uns, dass unser Patienteninput wertgeschätzt wird. Trotzdem bleiben wir dabei immer eine unabhängige Anlaufstelle.

Eines Ihrer Ziele ist es, über die Erkrankung aufzuklären. Sie haben eine tolle Lichterkettenaktion gestartet: können Sie uns dazu etwas mehr erzählen?

Bei Morbus Fabry geht man von einer hohen Dunkelziffer Betroffener aus. D. h. es gibt vermutlich viele nicht- oder falschdiagnostizierte Patienten. Daher ist es sehr wichtig, die Erkrankung bekannter zu machen, und Aktionen zum Rare Disease Day tragen dazu bei.

Wir haben von einer Patientin inspiriert begonnen, Ampullen der Fabry-Medikamente zu sammeln und daraus Lichterketten in den Farben des Rare Disease Days zu basteln, die in Apotheken zusammen mit Infoflyern ausliegen. So konnten wir zudem noch Spendengelder z. B. für unsere Jugendtreffen sammeln. Wir haben hunderte Ampullen verarbeitet! Das schafft nicht nur Aufmerksamkeit, sondern bringt auch Patienten in dieser gemeinsamen Mission zusammen.

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