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HAE

Die heimtückische Krankheit HAE

Das hereditäre Angioödem (HAE) ist den wenigsten Menschen bekannt. Interview mit Professor Markus Magerl.

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Prof. Markus Magerl

Professor am Allergie-Centrum-Charité Universitätsmedizin Berlin

Einer sicheren Diagnose sowie der damit verbundenen Behandlung geht oftmals eine jahrelange Leidensgeschichte der Betroffenen mit zahlreichen Fehldiagnosen voraus.

HAE ist eine Erkrankung, die lebensbedrohlich werden kann. Wie manifestiert sich die Erkrankung?

Die Krankheit zeigt sich durch Angioödeme, also Schwellungen aufgrund von Flüssigkeitsaustritt aus den Blutgefäßen, die in der Regel spontan auftreten. Je nach Lokalisation können diese Ödeme unterschiedliche Beschwerden hervorrufen.

Welche beispielsweise?

Ist die Haut betroffen, an den Extremitäten zum Beispiel, dann können Hände oder Füße anschwellen. Hin und wieder können die Genitalien anschwellen, häufig auch die Lippe und die Region um die Augen. Bei den meisten Patienten sind zudem innere Organe, oftmals der Darm, betroffen.

Das wird als unglaublich schmerzhaft angegeben. Schwellungen im Halsbereich können zur Verlegung der Atemwege und zum Tod durch Ersticken führen.

Was löst die Erkrankung HAE aus?

Durch den „hereditären“, also vererbten Mangel eines funktionsfähigen Proteins kommt es zu einer Fehlregulierung in einem Stoffwechselsystem, das bei der Immun- und Entzündungsantwort des Körpers eine wichtige Rolle spielt. Dadurch erweitern sich Blutgefäße, flüssige Anteile des Blutes dringen ins Gewebe ein und verursachen dort die Schwellung.

Wie unterscheidet sich HAE vom allergischen Angioödem?

Ein allergisches Angioödem unterscheidet sich vom Aussehen her nicht vom HAE, der Mechanismus der Entstehung aber ist ein ganz anderer. Während bei dem hereditären Angioödem Bradykinin der Stoff ist, der die Beschwerden verursacht, sind es beim allergischen Ödem Mastzellmediatoren, allen voran das Histamin.

Dieses hat auf die Blutgefäße ähnliche Auswirkungen wie das Bradykinin beim HAE. Das mastzellbedingte Ödem ist eine erworbene und keine erblich bedingte Erkrankung. Weil der auslösende Stoff beim HAE das Bradykinin und beim allergischen Angioödem das Histamin ist, müssen die beiden Erkrankungen auch unterschiedlich behandelt werden.

Der Weg bis zur Feststellung der Krankheit HAE ist oft langwierig: Wie kann eine Diagnose gestellt werden?

Das allergische Ödem tritt viel häufiger auf, beinahe jeder Vierte ist im Leben einmal davon betroffen. Aus diesem Grund ist es bei Ärzten bekannt. Da die Symptomatik bei beiden Ödemen ähnlich ist, ist es wichtig, dass Ärzte die seltenen Fälle des HAE nicht übersehen.

Weil dies aber noch zu oft vorkommt, dauert es in Deutschland durchschnittlich neun Jahre vom ersten Auftreten der HAE-Beschwerden bis zur richtigen Diagnose. Optisch unterscheiden sich die Ödeme nicht. Wenn der Patient schnell auf ein Antihistaminikum oder Kortison reagiert, ist dies ein Zeichen, dass es sich um ein allergisches Ödem handelt.

Wenn man jedoch einen Patienten hat, der nicht auf Kortison und Antihistaminika anspricht, ist dies ein Hinweis, dass es ein hereditäres Angioödem sein könnte. Wenn sich dann auch noch herausstellt, dass die typischen Beschwerden auch bei anderen Familienmitgliedern auftreten, dann ist es ein deutlicher Hinweis auf HAE.

Wie geht es nach der Diagnose weiter?

Dann macht sich der Arzt daran, die Erkrankung optimal zu behandeln. Hier schaut man, wie häufig und wie schwer die Patienten betroffen sind, bevor man entscheidet, welche Therapie in Frage kommt. Das Ziel an unserer Klinik ist es, dass die Betroffenen sich selbst behandeln können, denn nur die frühzeitige Behandlung einer Attacke ist wirklich effektiv.

Da es sich um eine vererbliche Erkrankung handelt, darf man weitere, möglicherweise betroffene Familienangehörige nicht übersehen.

Wie sieht die Therapie aus?

Derzeit gibt es wirksame Therapien, die akute Attacken unterbrechen und somit die Schwellungen zum Abklingen bringen. Wenn die Patienten unter häufigen Attacken leiden und die bedarfsweise Behandlung die Beschwerden nicht ausreichend gut kontrolliert, dann denkt man darüber nach, eine Prophylaxe einzuleiten.


Wichtige Hinweise zu HAE finden Sie auf der Website der Deutschen HAE-Vereinigung e.V.: schwellungen.de sowie auf der Website des Allergiecentrums der Charitè Berlin: angiooedem.net

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