Erbliche Netzhauterkrankungen sind sehr seltene Augenerkrankungen, bei denen Veränderungen in einer Vielzahl von Genen die Ursache sein können. Abhängig von der Erkrankung treten die Symptome schon im Kindesalter auf, mitunter aber auch erst im frühen Erwachsenenalter. Durch Veränderungen im genetischen Bauplan können wichtige Prozesse im Auge gestört werden. Dies kann zur Folge haben, dass die lichtempfindlichen Sehzellen in der Netzhaut absterben und so zu einer Beeinträchtigung des Sehens bis hin zur vollständigen Erblindung führen. Für Betroffene und ihre Angehörigen stellt dies eine große Belastung dar. In Deutschland sind Schätzungen zufolge insgesamt rund 75.000 Menschen von einer erblichen Netzhauterkrankung betroffen.1
Patienten, Augenärzte und Humangenetiker können Diagnose gemeinsam beschleunigen
Die frühzeitige Diagnose ist für Patienten von großer persönlicher und sozialer Bedeutung. In der augenärztlichen Praxis ist es häufig schwierig, erbliche Netzhauterkrankungen zu diagnostizieren, was auch damit zusammenhängt, dass Veränderungen im Auge symptomatisch für ganz unterschiedliche Krankheitsbilder sein können. Die Betroffenen können Symptome wie Nachtblindheit, Einengung des Gesichtsfelds, Nystagmus oder Minderung der Sehschärfe aufweisen. Für den Augenarzt aber auch für Kinder- und Hausärzte kann die Diagnose aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen sowie der oft unspezifischen Symptomatik eine Herausforderung darstellen. Durchschnittlich warten Patienten mit einer erblichen Netzhauterkrankung in Deutschland 2,5 Jahre bis zu einer gesicherten Diagnose. Daher ist die Zusammenarbeit zwischen Augenärzten, Spezialzentren und Humangenetikern sowie den Betroffenen von großer Bedeutung.
Ein Gentest: Der Weg zur Diagnose
Mit einem Gentest kann mit hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, ob es bei einem Patienten genetische Veränderungen gibt. Ein Gentest umfasst die Untersuchung der DNA mittels Blut- oder Speichelprobe, und mit ihr die Sequenzierung (Aufschlüsselung) der Gene. Anschließend analysieren Humangenetiker die Ergebnisse und suchen nach Veränderungen (Mutationen). Liegt eine genetische Veränderung vor, lassen sich mit dieser Untersuchung und der familiären Krankengeschichte Rückschlüsse darauf ziehen, wie die Netzhauterkrankung in der Familie vererbt wurde und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, die Erkrankung selbst weiterzuvererben. Zusätzlich kann das Ergebnis wichtige Antworten zum wahrscheinlichen Verlauf der Erkrankung liefern. Wichtig ist bei der molekulargenetischen Untersuchung auch, die sehr seltenen nicht-erblichen Ursachen, wie z. B. eine systemische Erkrankung, auszuschließen. Mit Hilfe der Gentestung kann zudem herausgefunden werden, ob der Patient gegebenenfalls für eine Therapie infrage kommt oder an einer klinischen Studie teilnehmen könnte. Sobald die Analyse vorliegt, sollten die Patienten bzw. Eltern eine humangenetische Beratung zur Erläuterung des Befundes und möglicher bekannter Krankheitsbilder, die mit dem Befund assoziiert sein können, in Anspruch nehmen.
Wissenswertes rund um den Gentest
▶ Bei Verdacht auf eine erbliche Netzhauterkrankung wird in Abhängigkeit vom klinischen Erscheinungsbild und dem aufgrund der Stammbaumanalyse anzunehmenden Erbgang ein gewisses Panel (Gruppe) an infrage kommenden Genen ausgewählt
▶ Gentestung bei Hinweis auf eine seltene Erkrankung ist eine Kassenleistung und kann von jedem Arzt bei jedem Patienten mit einem Überweisungsschein nach Muster 10 veranlasst werden
▶ Während Privatpatienten eine Kostenübernahmebestätigung benötigen, ist ein solcher Antrag bei gesetzlich Versicherten nicht notwendig
Begleiten Sie Vildana und Emina auf ihrer Patientenreise oder entdecken Sie gemeinsam mit Markus Bernrieder die Gentestung.
1 Hanany M, Rivolta C, Sharon D. Worldwide carrier frequency and genetic prevalence of autosomal recessive inherited retinal diseases. PNAS 2020; 117(5) 2710-2716.